Die Streicher antworten auf die Bläser, das Fagott hält unbeirrt und standhaft an einem Ton fest, mittendrin Dirigent Markus Poschner, der die vielfältige Kommunikation in dem großen Klangkörper leitet und zusammenführt. Die Musik Anton Bruckners, konkret das Scherzo aus dessen 9. Sinfonie, kann man jetzt im Deep Space 8K des Ars Electronica Centers erleben und dabei viele Töne des in 3D-Visualisierung auftretenden Bruckner Orchesters (BOL) anders wahrnehmen — und damit spielen. Die Deep-Space-Applikation „Playing Anton“ ist neben der Ausstellung „Being Anton“ ein genialer Beitrag des Futurelabs zum Brucknerjahr, der Interesse am vor 200 Jahre verstorbenen großen Komponisten wecken soll. Finanziell unterstützt wurde die Realisierung (Kosten: rund 320.000 Euro) vom Land OÖ und der Stadt Linz.
Es ist, als würden die Instrumentengruppen, die gerade dran sind zu spielen, auf Lichtstrahlen, -punkten und -wirbeln schweben. Alleine das Lauschen und Betrachten (mit 3D-Brille) ist ein intensives Erlebnis. Betritt man selbst die „Bühne“, die Fläche vor der 16 x 9 Meter großen Projektionsfläche, dann wird man zum Mitwirkenden, kann mitdirigieren. Einzelne Instrumentengruppen lassen sich akustisch und visuell stärken, indem man sich auf ihr Bild, eine programmierte Fläche am Boden des immersiven Klangraumes, stellt. „Für Bruckner-Anfänger aller Altersgruppen spannend wie für Klassikkenner, die hier noch neue Entdeckungen machen können“, so AEC-Chef Gerfried Stocker. „Das Publikum stellt selber die Instrumente zusammen und erforscht spielerisch, wie die Klänge zusammenkommmen“, erklärt KI-Forscher und Komponist Ali Nikrang.
Die Welt verändert(e) sich
Taucht man im Deep Space in die Musik des großen Meisters ein, so ist es in der Ausstellung im unteren Geschoß vor allem die Zeit Anton Bruckners, die vielfältig beleuchtet wird. Und dabei gelingt es, den Bogen zu Innovation und Fortschritt von heute zu spannen. Denn auf Bruckner und seine Zeitgenossen müssen wohl ähnlich viele Eindrücke und Einflüsse hereingeprasselt sein wie auf die Menschheit in unseren Tagen, da uns KI und Co. (über)fordern.
Zu Bruckners Lebzeiten setzte die Industrielle Revolution ein. Die ersten Dampfloks ermöglichten Bruckner Reisen, auf großen Weltausstellungen wurden die neuesten Errungenschaften präsentiert, Stichwort Telefonie und Telegrafie, Elektrizität, Fotografie … Die Welt wurde quasi erstmals vernetzt. Mit Kopfhörern adjustiert lauscht man Zitaten von Bruckner und Zeitgenossen, Geräuschen (etwa einer Orgel) und Klängen, kleine Sender korrespondieren mit dem eigenen Standort und lösen so ineinander übergehend den passenden Input aus. Faksimiles von Zeitungsberichten machen erfahrbar, dass Bruckner zu seiner Zeit, so Stocker, „gefeiert und verdammt“ wurde.
Bereichernde Klangräume
Im Klangraum dann, inmitten von hölzernen Installationen, die an Orgelpfeifen erinnern, Bruckners Musik, das berühmte Locus iste und Ausschnitte aus Sinfonien, die auf die Geräuschkulisse zu Bruckners Zeit treffen.
Landeshauptmann Thomas Stelzer würdigte die Arbeit des AEC bei der Präsentation als „tolles Projekt und eine Bereicherung für das Brucknerjahr“: „Kultur und Musik sind Grundlage und Motivation dafür, auf Neues zu kommen.“ Es sei die „DNA“ des Hauses, sich damit auseinanderzusetzen, welche Konsequenzen, aber auch Chancen und Möglichkeiten Umbrüche für die Menschen bedeuten, so der Linzer Bürgermeister Klaus Luger. Die „Verschränkung mit heute“ sieht auch Landeskulturdirektorin Margot Nazzal als gelungene Möglichkeit, Bruckner im Rahmen der 1. OÖ Kulturexpo „State of the Art “ zu zeigen. Seit zwanzig Jahren arbeite das Bruckner Orchester nun immer wieder mit dem Ars Electronica Center zusammen, so der künstlerische Leiter des BOL und der ersten OÖ KulturEXPO, Norbert Trawöger, mit der „faszinierenden Erfahrung“ im Deep Space biete sich nun die Möglichkeit, den „Maschinenraum einer Sinfonie“ zu betreten, „ein Orchester in Zahnrädern“ zu erleben.
Die Linzer Kultur- und Tourismusstadträtin Doris Lang-Mayerhofer ist sich sicher, dass das AEC damit nicht nur internationale Gäste anlocken wird, sondern auch die Oberösterreicherinnen und Oberösterreich an den großen Komponisten heranführen wird. Die Ausstellung ist ab 1. Februar bis Jahresende zu sehen, die Besucher werden von Infotrainern begleitet und unterstützt, „Playing Anton“ im Deep Space jeweils um 16.30 Uhr sowie in „best of“-Frühungen zu erleben. Am 3. und 4. Februar findet ein Themenwochenende dazu statt.
Von Melanie Wagenhofer