Bruckner aus Dresden für einen mit Jubel überhäuften Thielemann

Brucknerfest feierte Dirigenten-Debüt zum richtigen Zeitpunkt

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Es war höchste Zeit und das Brucknerfest genau der passende Anlass, Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden unter seinem Chefdirigenten im Haus Anton Bruckners erstmals zu erleben.

Dem Vernehmen nach ist Thielemann nur noch bis 2024 an der Spitze des weltältesten Klangkörpers und hat seinen greifbaren Abschied vorher im Wiener Konzerthaus mit demselben Programm gegeben. Dass es fast ein Pflichttermin gewesen ist, auch zum Linzer Fest im Brucknerhaus vorbeizuschauen, dafür darf man danken und konnte auch einen ereignisreichen Konzertabend erleben.

Bruckners Sinfonie Nr. 5 B-Dur WAB 105, die ihr Schöpfer in orchestraler Form nie gehört hat und die ihm nur in der Klavierfassung vorgestellt wurde, ist durch die fortschrittliche Harmonik und auf die Vergangenheit zurückweisende Formen ein Werk, das immer wieder mit Neuigkeiten konfrontiert.

Und auf die Ausführung der Interpreten besondere Neugierde weckt. Insofern war Thielemann ganz auf die bestimmte Profilierung der vier Sätze bedacht, hat aber trotzdem insgesamt auswendig dirigierend ein in jeder Hinsicht dramaturgisches Konzept vorgelegt. Da war nichts, was nach Übertreibung geklungen hätte, ein Klangbild aufgesetzter Energie oder Affektiertheit schaffen würde. Der sonst in festen Satteln sitzende Operndirigent agierte in Demut und diente dem Werk, eben Bruckner, der von der im Geiste voll aufgehenden Ehrung in seiner Bescheidenheit angetan sein musste.

Zauberhafte Sächsische Staatskapelle

Die Sächsische Staatskapelle Dresden, die einmal Mentor Herbert von Karajan Thielemanns Orchester als „Zauberharfe“ bezeichnete, wusste schon, was sie ihrem scheidenden Chef schuldig ist. Zauberhaft war tatsächlich ihr Farbenglanz in allen Stimmen. Dass manche Instrumente speziell bei den Holzbläsern andersartig klingen, erwies sich als positiv und bewies nur den individuellen Charakter des Klangkörpers.

Vielleicht versetzten so manche Klangvarianten überhaupt von selbst in die mystische Welt Bruckners, die Thielemann mit seiner zurückhaltenden Pultpräsenz und seinen gestisch eher sparsamen Zeichen erreicht und deren Ausdruck seine Musiker hellhörig umsetzten.

Gleich im Stirnsatz fiel der geheimnisvolle Einstieg auf, fast lautlos, die Steigerung im Verlauf vollzieht sich ohne aufgesetzte Kontraste, mündend in fanfarenartige Räume. Die vibrierenden Streicher des zweiten Satzes vermochten Bruckners Verzweiflungszustand wegen seiner Nervenkrankheit, die er in Bad Kreuzen kurieren sollte, und die bevorstehende Übersiedlung nach Wien darzustellen. Und der dritte Satz, in dem sich die kontrapunktischen Wurzeln der Sinfoniegeschichte am besten entdecken lassen, führte dann in der Coda harmonisch zu einem der überhaupt größten Bruckner-Finali.

Insgesamt entsprach die Begegnung mit dem 63-jährigen Berliner Stardirigenten als Brucknerinterpret nicht unbedingt den Gewohnheiten aller Zuhörer im vollen Haus. Sie korrigierte aber jede Voreingenommenheit und bescherte schließlich ein Ereignis von seltenem Wert. Da konnte der Jubel nicht zu laut und zu lange ausfallen.