In völlig verdunkelten Räumen wurden Konzerte mit Werken von Anton Bruckner in den Jahren 1939 bis 1944 im Wiener Konzerthaus vor Publikum aufgeführt. Dunkelkonzerte nannten die Nazis diese Formate, die für besondere mystische, dramatisierende wie romantisierende Stimmung sorgten, und mit denen sie ihre finstere Gedankenwelt quasi als Ersatzreligion transportierten.
Eine besondere Klanginstallation in der Welser Minoritenkirche weist im Brucknerjahr 2024 auf diese Praxis hin und imitiert gleichzeitig eine offene, liberale Konzertpraxis im New York der 1960er-Jahre.
„Dark Matter“ (zu Deutsch: Dunkle Materie) heißt das Projekt des Tiroler Künstlers Lucas Norer, der sich dafür intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt hat. „Vor Bruckner wurden im Halbdunkel Werke von Mozart gespielt“, erzählt er im VOLKSBLATT-Gespräch. Zwanzig Konzerte seien so abgelaufen, ein Artikel aus den 1940ern, den Norer entdeckt hat, konstatierte damals, Bruckner sei „perfekt für völlige Dunkelheit.“
Warum gerade Bruckner? „Bruckner war Österreicher, wurde verschmäht vom jüdischen Bürgertum“, erzählt Norer. Zudem sei Hitler ein großer Fan des oberösterreichischen Komponisten gewesen, es habe sogar Pläne gegeben, aus St. Florian ein österreichisches Bayreuth zu machen. Zudem habe man Parallelen zwischen dem Leben Bruckners und Adolf Hitlers gesehen.
Auch die Welser Minoritenkirche wird für „Dark Matter“ (ab 10. Februar 2024) verdunkelt, die Lichtquelle bilden wie einst im Konzerthaus Orchesterlampen. Der Bruch mit dem dunklen Kapitel der Vergangenheit geschieht mit pinkem Licht, mit dem die Kirche ausgeleuchtet wird. Dieses und Sitzsäcke verweisen auf Konzerte in den 1960ern in New York im Umfeld von John Cage und der Kunstbewegung Fluxus.
„Diese Praxis übernehme ich“, sagt Norer, der so ein sechsstündiges Konzert gestaltet: „Bruckner in maximal antifaschistischer Umgebung.“ Zu hören sind die 6. und 7. Sinfonie des Meisters, das waren auch die ersten gespielten Werke bei den Dunkelkonzerten. Am 10. Februar widmet sich auch der Bruckner-Salon unter dem Titel „Instrumentalisiert — linientreu — verfemt: Musik im Spiegel der NS-Zeit“ im Medien Kultur Haus Wels dem Thema.
Von Melanie Wagenhofer