Im 4. Konzert des ehrgeizigen Großprojekts „Alle Brucknersinfonien im Originalklang“ kam es am Dienstag zu einer interessanten Gegenüberstellung. Als Programm-„Partner“ von Anton Bruckners 6. Sinfonie in A-Dur fungierte einleitend Cesar Francks Sinfonie in d-Moll. Die Komponisten waren Zeitgenossen; darüber hinaus verbindet sie ein künstlerischer Schwerpunkt – das Orgelspiel – und das persönliche Schicksal von weitgehend fehlender Anerkennung ihrer Arbeit zu Lebzeiten.
Potenzielle „Ohrwürmer“
Den Abend gestaltete das „Originalklang“ – Ensemble Les Musiciens Du Louvre unter der Leitung von Marc Minkowski. In der Interpretation der einzigen Sinfonie Francks, der in Belgien lebte und dem französischen Kulturkreis nahestand, spielten Minkowski und das Orchester, in dem übrigens nicht wenige Spezialisten aus Oberösterreich mitwirkten, alle Vorzüge der historischen Aufführungspraxis aus: Das kompositorisch dichte, dreisätzige Werk wurde sehr transparent und in großer dynamischer Spannweite eindrucksvoll entschlüsselt; speziell die originellen Themen des zweiten und dritten Satzes klangen wie potenzielle „Ohrwürmer“.
Durchsichtig und animierend
Bruckners sechste Sinfonie zeigt sich insofern „keck“, als sie sich in Struktur, Stil und Melodik deutlich von ihren Vorgängerinnen abhebt. Sie ist eine der wenigen Sinfonien, die Bruckner nicht revidiert hat und strotzt von der Experimentierfreudigkeit ihres Urhebers. Die ersten drei Sätze wurden – wahrscheinlich ganz im Sinne des Komponisten – durchsichtig und animierend musiziert; einzig die Überfülle Brucknerscher Einfälle und deren Gewichtung schien die komplizierte Struktur des Finales bisweilen zerbröseln zu lassen.
Derartiges ließ bereits die Überschrift der Einführung im Programmheft erwarten: „Eine kalkulierte Irrfahrt“. Im Text ist u.a. davon die Rede, dass sich „die Musik am Ende der Reprise in ziellos modulierenden, zwischen Bläsern und Streichern wie zwischen Skylla und Charybdis hin und her schwankenden Wiederholungen verliert“ … ! Das mag sein, doch etwas mehr Konsequenz in der Führung des Orchesters hätte wohl einen deutlichen Weg finden können.
Aber Ende gut, alles gut. Das prächtige Hauptthema des ersten Satzes erwies sich als umfassende Klammer des komplexen Werkes und schloss es eindrucksvoll ab. Viel Applaus und gruppenweise „Standing Ovations“.
Von Paul Stepanek