Überraschung war es nach dem Berg an Vorwürfen in den letzten Tagen keine mehr: Dietmar Kerschbaum, Brucknerhaus-Intendant und künstlerischer Leiter der Linzer Veranstaltungsgesellschaft (LIVA), wurde am Freitag mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion freigestellt. Gleiches gilt auch für sein kaufmännisches Pendant Rainer Stadler, der mit 1. April seine Pension antritt. Bürgermeister Klaus Luger informierte nach der Aufsichtsratssitzung im Rahmen eines Pressegespräches über die Beschlüsse, die allesamt einstimmig gefasst worden seien. Die „breit gefächerten Vorwürfe“ hätten in der Sitzung nicht geklärt werden können.
Für viele Geschäfte im Brucknerhaus gelte das Vier-Augen-Prinzip, das sei eingehalten worden und damit auch der kaufmännische Geschäftsführer befangen, erklärte Luger die Freistellung beider Herren. Einstimmig beschlossen worden sei auch, dass die LIVA einer Compliance-Prüfung unterzogen werde „und zwar alle Geschäftsfelder“. So rasch wie möglich soll nun laut eine lückenlose Aufklärung stattfinden, so Luger weiter. Das sei in der dreistündigen Aufsichtsratssitzung nicht machbar gewesen. Sobald Ergebnisse vorliegen, werde der Aufsichtsrat Entscheidungen treffen.
Vertrag mit Künstleragentur wird durchleuchtet
Geprüft wird, und das ist scheinbar der härteste Brocken, auch das Vertragswerk rund um jene Künstleragentur, die von Kerschbaum mit der Planung des Programmes beauftragt worden sei und die gleichzeitig eigene Künstler ans Brucknerhaus vermittelte. Luger gestand ein, dass die Vergabe der Programmplanung an eine externe Stelle für ein Konzerthaus unüblich sei. Zu prüfen seien die Konsequenzen einer Auflösung des Vertrages nicht nur wegen Compliance-Fragen, sondern auch, ob sich das auf das Programm des Brucknerhauses auswirken werde, indem bestehende Verträge dann vielleicht obsolet seien, so der Bürgermeister: „Es geht darum, weiterhin ein gutes Programm zu gewährleisten.“
Auftritte von Kerschbaum „geringeres Problem“
In-sich-Verträge, wie sie Kerschbaum für eigene, äußerst gut dotierte Auftritte als Sänger nutzte, seien gesellschaftsrechtlich üblich, so der Bürgermeister weiter. „Das ist das geringere Problem, die waren ja bekannt.“ Diesbezüglich habe es auch anerkennende Stimmen gegeben, so der Bürgermeister, die gemeint hätten, es sei großartig, wenn der künstlerische Direktor in seinem Haus auf der Bühne stehe und so Kundenbindung betreibe. Da wären andere Verdachtsmomente schwerwiegender, so Luger. Welche das sind, wollte er nicht sagen.
Dass Kerschbaum die Unterlagen für das Hearing im Rahmen seiner Bewerbung 2017 zugespielt bekommen habe, könne laut Anwälten nur für den Absender strafrechtliche Konsequenzen haben, nicht aber für Kerschbaum. Luger schloss in diesem Zusammenhang auch etwaige Schadenersatzansprüche der anderen Bewerber für den Posten des Intendanten aus. Abgesehen davon seien Teile davon bereits verjährt.
Esterbauer wird „Gesicht nach außen“
Schon am Freitagnachmittag will man sich der Frage widmen, wer das Brucknerhaus bei den Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum am 22. und 23. März repräsentieren wird. Als „Gesicht nach außen“ nannte Luger den neuen kaufmännischen Geschäftsführer Rene Esterbauer, der seinen Dienst bereits angetreten hat.
Es gelte, dafür zu sorgen, dass am Haus kein Schaden entstehe, so Luger, der aber auch einräumt, dass es schon einen Schatten geben werde.
Von Melanie Wagenhofer