Bruckners achte Sinfonie mit Ecken und Kanten

Philippe Herreweghe und das Orchestre des Champs Èlysèe begeisterten beim Brucknerfest

Begeisterte mit Orchestre des Champs Èlysées beim Brucknerfest: Dirigent Philippe Herreweghe © michiel hendryckx

Anton Bruckners 8. Sinfonie in c-Moll markierte am Dienstag im Brucknerhaus den sensationellen Beginn des Vorhabens, alle Brucknersinfonien in der Urfassung und mit Instrumenten der Entstehungszeit, also im „Originalklang“ aufzuführen. Niemand geringerer als Philippe Herreweghe, wie Harnoncourt sozusagen eine Gallionsfigur der historischen Aufführungspraxis, war dazu mit seinem berühmten Orchestre des Champs Èlysées eingeladen worden.

Das Programm des Abends startete aber – vermeintlich seltsamerweise –   mit Heinrich I. F. Bibers satirischer „Battalia“, einem wahrlich barocken Stück, das vom Ensemble Ars Antiqua unter der Leitung von Primgeiger Gunar Letzbor präsentiert wurde. Einleitend zog Letzbor zur Erläuterung spontan eine kleine Show ab; die Interpretation selbst übertraf die gute Qualität der Einleitung an Witz und Ernsthaftigkeit.

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Steigende Spannung

Sodann betrat das Pariser Orchester das Podium und stürzte sich aus dem traditionellen Bruckner-Tremolo heraus in das Abenteuer der „Achten“ in der Fassung von 1887. Von Satz zu Satz wurde das Unvertraute vertrauter; aber auch die Spannung, wann und wo jene Einfälle wie Kanten und Ecken auftreten würden, die Bruckners Berater ursprünglich verschreckt hatten, stieg von Mal zu Mal.

Entführt in eine Traumlandschaft

Der „Originalklang“ hörte sich einmal samtig, dunkel timbriert an, dann wieder rau und polternd, jedenfalls dem musikalischen Ausdruck absolut entsprechend. Das Scherzo – hier erstmals bei Bruckner als zweiter Satz – entführte im Trio die Zuhörer schier zauberhaft mit veredelter Volksmusik in eine voralpine Traumlandschaft, und das Adagio des dritten Satzes entwickelte – immer wieder von tonalen Schnörkeln unterbrochen – tief berührende Klänge.

Das Finale löste schließlich das Rätsel, warum vor der Sinfonie eine barocke „Battalia“  ausgetragen wurde: Mit donnernden Hufen der keineswegs leichten Kavallerie, begleitet von zackig-aufreizenden Trompetensignalen und auftrumpfendem tiefen Blech eroberte es gleich zu Beginn martialisch Bühne und Publikum, um dann in kunstvoller Verarbeitung alle Themen der Sinfonie zu vereinen.

Die Seele der Urfassung bloßgelegt

Auch das Ende überraschte: Ohne ausufernde Schluss-Akkorde bricht das Meisterwerk einfach ab. Heftiger, nicht enden wollender Applaus für Orchester und Dirigent, der mit sparsamer, aber wirkungsvoller Gestik seine Musici souverän geführt und die Seele der Urfassung bloßgelegt hatte.

Von Paul Stepanek