„Buch Wien“ mit Rede von Julian Nida-Rümelin eröffnet

Nida-Rümelin dachte auf „Buch Wien“ über Zukunft der Demokratie nach © APA/GEORG HOCHMUTH

Die „Zukunft der Demokratie“ hat am Mittwochabend die Eröffnung der 16. Buchmesse „Buch Wien“ geprägt, die bis Sonntag in der Messe Wien stattfindet. In seiner Eröffnungsrede sprach der deutsche Philosoph und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin über die „politische Orientierung in fordernder Zeit“, brach eine Lanze für die Buchpreisbindung zum Erhalt kultureller Vielfalt und rief dazu auf, Herausforderungen „innerhalb des demokratischen Spektrums zu bewältigen“.

„Bücher können ein Garant gegen Fake News und Missinformation sein“, unterstrich Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels (HVB), in seiner Begrüßung in der prall gefüllten Halle D der Messe Wien, in der er auch auf die prekäre Situation des Buchmarktes aufgrund von Inflation und branchenspezifischen Teuerungen verwies und in Richtung einer künftigen Regierung seine Forderung nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Bücher bekräftigte. „Helfen Sie dieser Branche, wenn Ihnen Demokratie, Bildung, Umwelt und die ganze Gesellschaft wichtig sind“, so Föger. Das Lesen als „vita activa“ wolle die Stadt Wien fördern, betonte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). Es gehe darum, „die Welt lesen zu lernen“, das Lesen könne in Zeiten wie diesen „eine Form der Resistance im Wahrnehmen von Welten sein“.

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Kogler unterstreicht Rolle der Kulturförderung als wichtiges Instrument

„In Österreich scheint es modern zu werden, bedenkenlos die Denunziation staatlicher Förderungen anzusagen“, kritisierte Kulturminister Werner Kogler (Grüne) im Wahlkampf verbreitete Töne. „Ich sehe herandräuen, dass im Kunst- und Kulturbereich ein Zusammenstreichen droht“, so Kogler, der dazu aufrief, im Kulturbereich auch künftig am „wichtigen Instrument“ der Kulturförderung festzuhalten. Ein „falsches Sparen“ gehe auf Kosten der Bildung und Meinungsvielfalt.

Kulturpolitisch startete dann auch Nida-Rümelin in seine frei gehaltene Eröffnungsrede, in der er an die Einführung der Buchpreisbindung nach französischem Vorbild in seiner Zeit als deutscher Kulturstaatsminister unter Gerhard Schröder (SPD) erinnerte. Diese Maßnahme sichere nach wie vor „die kulturelle Verantwortung der Branche“, in der Bestseller auch „Bücher, die kein Marktrenner sind, quersubventionieren.“ Bücher dürften auch in Zukunft nicht unter rein kommerziellen Gesichtspunkten gehandelt werden, so der 69-Jährige, der in Wien auch sein aktuelles Buch „Ähren im Wind. Politische Orientierung in fordernder Zeit“ vorstellt. „Es muss eine gemeinsame Anstrengung sein, diesen Wert zu halten“, so der Eröffnungsredner, der in weiterer Folge einen historischen Streifzug zu den Anfängen der antiken griechischen Demokratie sowie dem neuen Demokratieverständnis nach dem Dreißigjährigen Krieg vollzog.

Nida-Rümelin: „Vielfalt in Europa stärken“

Das damals entwickelte Demokratieverständnis sei aus „dem Ansatz erwachsen, dass wir einander wechselseitig als frei und gleich sehen und in der Lage sind, uns ein politisches Urteil zu bilden“. Derzeit herrsche der „Denkfehler, zwischen individuellen Rechten und Demokratie zu unterscheiden“, so Nida-Rümelin, der davor warnte, die Rolle „des Westens“ als Entscheider zu überschätzen. Umso mehr gelte es, die in Europa gelebte Vielfalt und „Balance zwischen Sozialem und Ökonomischem und in der Kultur“ zu erhalten. „Das setzt voraus, dass wir intern nicht die Grundlagen dieser besonderen Zivilkultur zerstören oder Fundamente unterminieren, indem wir immer intoleranter werden gegenüber Meinungen, die wir nicht teilen.“

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„Wir müssen schauen, dass die Demokratie stabilisiert wird“, so Nida-Rümelin abschließend. „Dazu gehört, dass die Menschen den Eindruck haben, über die Grundrichtungen der Politik entscheiden zu können und Gewählte die Möglichkeit haben, etwas zu gestalten.“ Die „massive Resonanz des Rechtspopulismus“ resultiere daraus, dass der Eindruck entstanden sei, „dass demokratische Kräfte nicht in der Lage sind, die großen Menschheitsherausforderungen zu lösen“. Es herrsche ein „Gefühl eines Kontrollverlusts des Politischen in der Demokratie“. Umso mehr gehe es darum „innerhalb des demokratischen Spektrums zu streiten, um die Herausforderungen zu bewältigen“.

300 Aussteller aus 27 Nationen

Die Eröffnung wird traditionell mit der „Langen Nacht der Bücher“ und zahlreichen Veranstaltungen begangen. Bis zum 24. November sind auf 12.000 Quadratmetern über 400 Veranstaltungen geplant, die zum Meinungsaustausch und internationaler Vernetzung genutzt werden sollen. Insgesamt präsentieren sich 300 Aussteller aus 27 Nationen. Mit „Politik & Sicherheitspolitik“, „Wirtschaft & Finanzen“ und „Wissenschaft & Technologie“ setzt man heuer drei neue Themenschwerpunkte, denen unter dem Motto „Sturm und Wissensdrang“ eine eigene Veranstaltungsreihe gewidmet ist, die neue Science Lounge sagt „der Wissenschaftsskepsis den Kampf an“.

Im prallvollen Belletristik-Programm finden sich sowohl heimische als auch internationale Autorinnen und Autoren, darunter Arno Geiger, Barbara Zeman, Joachim Meyerhoff oder Mircea Cărtărescu. Im Vorjahr hatte die „Buch Wien“ 58.000 Besucherinnen und Besucher angezogen.

Buch Wien, 20. bis 24. November, Halle D Messe Wien. Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag von 9 – 18 Uhr, Samstag von 10 – 18 Uhr und Sonntag von 10 bis 17 Uhr. buchwien.at