Über ein Jahr ist es her, dass der damalige ORF-NÖ-Landesdirektor Robert Ziegler nach Vorwürfen aus der Redaktion rund um ÖVP-freundliche Berichterstattung seinen Posten geräumt hat. Damit kam er dem Bericht einer Evaluierungskommission zuvor, den der ORF nicht veröffentlicht. „Dossier“ sah ihn ein. Die darin dokumentierten Vorfälle lösten im ORF-Stiftungsrat eine lange Debatte aus. ORF-Chef Roland Weißmann betonte, Zieglers Fehlverhalten sei rechtlich genau beurteilt worden.
Ca. 50 ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben laut einem am Donnerstag veröffentlichten „Dossier“-Artikel ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen der Evaluierungskommission geschildert, die von Weißmann eingesetzt worden war. Die Vorwürfe beziehen sich auf Zieglers Zeit als ORF-NÖ-Chefredakteur, bevor er 2022 zum Landesdirektor aufstieg und den Posten etwa ein Jahr später räumte.
Im Bericht werden laut „Dosiser“ Vorwürfe wie die wiederholte mangelnde professionelle Distanz zu ÖVP-Politikern wie auch die Herabsetzung, Demütigung und Bloßstellung von Redakteuren und Redakteurinnen bestätigt. Mehrere Vorwürfe beziehen sich darauf, dass Ziegler Interventionen vonseiten der ÖVP nachgegeben haben soll. So wollten ÖVP-Politikerinnen und -Politiker etwa in Beiträgen vorkommen oder kritische Berichte abgeschwächt sehen.
Ziegler arbeitet nach seinem Rücktritt als ORF-NÖ-Landesdirektor beim ORF in der Abteilung „Facility Management und Corporate Social Responsibility“. Der ORF-Redaktionsrat hielt auf APA-Anfrage fest, dass das Verhalten von Ziegler dem ORF geschadet habe. Man habe bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe personelle Konsequenzen verlangt. „Diese hätten aus unserer Sicht schärfer ausfallen sollen als lediglich der Verlust der redaktionellen Verantwortung des damaligen Landesdirektors“, so der ORF-Redaktionsrat.
ORF-Chef Weißmann verteidigte die Entscheidung am Donnerstag im Anschluss an eine Sitzung des ORF-Stiftungsrats, in der die Causa fast dreieinhalb Stunden lang Thema war. Die Evaluierungskommission habe ein „Fehlverhalten“ Zieglers festgestellt. Es sei zu Verletzungen des ORF-Gesetzes und zu Verstößen gegen die Ausgewogenheit und Objektivität gekommen. Rechtlich habe man sich die Optionen für Zieglers Zukunft genau angeschaut. „Auch eine Kündigung oder Entlassung wurde geprüft. Diese wären aber mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken für den ORF verbunden gewesen“, sagte Weißmann. Als Generaldirektor müsse er auf das Gesamtwohl des Unternehmens schauen.
In der Stiftungsratssitzung wurde ein Antrag mehrheitlich angenommen, wonach der „Dossier“-Bericht inhaltlich überprüft werden solle, um festzustellen, ob sich daraus ein neuer Handlungsbedarf oder eine andere Einschätzung der damals getätigten Entscheidungen ergebe. Nicht angenommen wurden Anträge, die eine Veröffentlichung des Kommissionsberichts in der einen oder anderen Form vorsahen. Das liegt auch daran, dass den Mitarbeitern bei ihren Aussagen vor der Evaluierungskommission Vertraulichkeit zugesichert wurde. „Den Mitarbeitern ist es extrem wichtig, dass der Bericht nicht veröffentlicht wird. Ich bin ihnen im Wort“, sagte Weißmann.
Der ORF-Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl betonte, dass Weißmann nach Bekanntwerden der Vorwürfe gehandelt habe. Neben dem Einsetzen der Evaluierungskommission wurde mittlerweile auch ein schärferer Ethikkodex installiert. Auch das Redakteursstatut wurde unter Weißmann gestärkt.
FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker vermutete in einer Aussendung, dass ORF-Chef Weißmann den Kommissionsbericht „absichtlich ‚verräumt‘ hat, um damit die ÖVP zu schützen“. Eine Veröffentlichung des Berichts forderte auch der niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich, während die SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar die Causa nutzte, um vor einer schwarz-blauen Regierung zu warnen. Mit dieser würde die Unabhängigkeit des ORF insgesamt in Gefahr schweben. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kommentierte die Angelegenheit mit: „Einfach eine Schande“ und sprach sich für eine Entpolitisierung und Stärkung des ORF aus.
Abseits der Causa Ziegler wurde in der Sitzung des ORF-Stiftungsrats Weißmanns Strategie 2030 „Ein ORF für alle“ von den 35 Stiftungsrätinnen und -räten „wohlwollend“ zur Kenntnis genommen, wie Lockl sagte. Ziel sei es, ein vielfältiges Programm für alle anzubieten und das Vertrauen in den ORF zu stärken. „Gewisse Zielgruppen sprechen wir doppelt, dreifach oder vierfach an. Andere nicht“, ortete Weißmann Änderungsbedarf zugunsten von jüngeren Personen. Auch mit Blick auf verstärkte Produktion für Streaming beginne man, Budget umzuschichten.