„Das Haus“: Der Stream aus den Eingeweiden des Burgtheaters

Schauspieler in den Katakomben des Theaters © APA/Burgtheater/Lesemann

Wann hat man als Theaterbesucher schon die Möglichkeit, nicht nur hinter die Kulissen des Burgtheaters zu blicken, sondern gleich unter das Haus? Genau dort spielt die neue, auf Twitch gestreamte Onlineproduktion „Das Haus“, die der aus Graz stammende Regisseur Roman Senkl in den Katakomben der Burg inszeniert hat. Basierend auf einem Text von Lisa Wentz, geht es um das Theater selbst, genauer gesagt: die Stunde vor einer Premiere. Ein Experiment mit kleinen Schwächen.

Es fühlt sich ein wenig so an wie vor vier Jahren: Das Publikum findet sich vor Beginn der Vorstellung am Donnerstagabend auf Zoom zu einem Videocall zusammen, wo noch einmal erklärt wird, wie man auf der interaktiven Streamingplattform Twitch an der Vorstellung auch aktiv teilnehmen kann, indem man Kommentare in den Chat tippt. Nach dem Plattformwechsel geht es dann schließlich los: Die junge Regisseurin Mona (Elisa Plüss), deren Eltern zwei berühmte Schauspieler waren, will ihre Familiengeschichte auf die Bühne bringen. Ein wesentliches Element ist, dass sie ihre Zeit als Kind hinter den Kulissen verbracht hat. Doch es wird immer chaotischer: Das Kleid der Hauptdarstellerin (Safira Robens) ist verdreckt, ein herumlaufendes Kind hat den Kopf des Nestroy-Preises entwendet, und der Hauptdarsteller, der Monas Vater verkörpern soll (Ernest Allan Hausmann) hat schon einiges an Alkohol intus.

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Mittels Handkamera wird das Geschehen verfolgt, immer wieder werden die Livebilder digital verfremdet, die Figuren morphen für wenige Sekunden in Fantasiegestalten, was sich gegen Ende mehrt. Eine eigene Bildsprache findet man mit einer vermeintlichen VHS-Kamera, die erratische Bilder aus dem Untergrund liefert. Wie sich später herausstellen wird, ist es die Perspektive des Kindes, das sich als Alter Ego der Regisseurin interpretieren lässt. Vollends ins Kippen kommt der Stress vor der Premiere, als Monas Mutter (Sabine Haupt) auftaucht und sich nicht damit abfinden kann, dass sie im geplanten Stück überhaupt nicht vorkommen soll. Kurzerhand beschließt sie, die Sache in die Hand zu nehmen und selbst aufzutreten, wobei sie ihre Tochter anherrscht: „Das ist also der Dank für alles, was ich für dich getan habe!“

Überhaupt der Generationenkonflikt: „Wir haben Träume verkauft, ihr verkauft nur mehr eure Traumata“, heißt es an einer Stelle etwa. Und: „Wir waren noch Götter, Götter der Bretter.“ Immer wieder blicken die Protagonisten direkt in die Kamera, was eine unheimliche Atmosphäre schafft. Dann schleppt Haupt auch noch einen Journalisten an und gibt ihm direkt in die Kamera ein Interview, während die Tochter nur fassungslos daneben stehen kann. Das Publikum diskutiert parallel im Chat über teils schlechten Ton, kurze Videoausfälle („Das Burgtheater sollte mal seine Stromrechnung zahlen“) oder philosophiert über die besten Weihnachtskekse. Als die Premiere immer näher rückt (und zugleich klar wird, dass die Onlinepremiere auf ihr Ende zusteuert), fragen einige der rund 250 User: „Fängt es jetzt dann bald an?“

„Das Haus“ ist ein Stück, das sich auf der Metaebene mit dem Theater auseinandersetzt, mit alltäglichen Dramen hinter den Kulissen und der Dynamik in Schauspielerdynastien. Es hätte durchaus auch auf der Bühne vor Livepublikum funktioniert. Der Versuch, in post-pandemischen Zeiten auf Onlinetheater zu setzen, zeugt vom Willen des neuen Burgtheaterdirektors Stefan Bachmann, eine in den Kinderschuhen steckende Theaterform auf eine neue Ebene zu heben. Roman Senkl ist ein packender Abend gelungen, der dank starker Schauspielleistungen bei der Stange hält. Ein interessantes Experiment, das nicht zuletzt aufgrund technischer Mätzchen jedoch auch seine Schwächen aufweist. Dass die Kommentare des Livepublikums vom Team auch gelesen werden, zeigt sich am Ende in einer kleinen Überraschungssequenz. Nach einer Stunde ist der Abend zu Ende, der virtuelle Applaus ließ sich jedoch kaum messen.

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(Von Sonja Harter/APA)

„Das Haus“ basierend auf einem Text von Lisa Wentz in einer Fassung von Roman Senkl und Ensemble. Regie: Roman Senkl, Creative Technology: Phil Hagen Jungschlaeger, Ausstattung: Simon Lesemann, Kamera & Bildgestaltung: Julian Pache, Komposition & Sounddesign: Lorin Brockhaus, 3D Visuals: Nils Gallist, Dramaturgie: Sarah Lorenz. Mit Safira Robens, Sabine Haupt, Ernest Allan Hausmann und Elisa Plüss. Weitere Termine: 21. und 30. Dezember sowie am 10., 14. und 24. Jänner. burgtheater.at