„Der schrecklichste Tag, den ich je erlebt habe“

Ausstellung in Gmunden als Vorbote zum Musical über die in Auschwitz ermordete Jüdin Ruth Maier

Im Mai 1940,mit 19 Jahren,erhält Ruth ihrnorwegischesMaturazeugnis.
Im Mai 1940,mit 19 Jahren,erhält Ruth ihrnorwegischesMaturazeugnis. © HL-sentered

„Ich werde nie zurückkommen“, ist das Letzte, was Ruth Maier im Herbst 1942 zu Freundinnen in Oslo sagt, als sie von der norwegischen Polizei abgeholt wird. Kurze Zeit später stirbt die junge Frau (22) im KZ Auschwitz.

Als Vorbote zum Musical über ihr Leben ist in Gmunden die Ausstellung „Das kurze Leben der Ruth Maier“ des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes (DÖW) zu sehen. Maiers Tagebücher und Briefe kamen erst Ende der 1990er-Jahre ans Licht.

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2012 habe der damalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg im Rahmen eines Holocaustgedenkens über Ruth Maier gesprochen. „Das war für uns als DÖW der Punkt, wo wir gesagt haben, wir wollen die Geschichte dieser jungen Frau auch hierzulande bekannt machen“, erklärt Kurator Winfried Garscha. Zum 75. Todestag entstand eine Ausstellung mit Fotos und Texten von und zum Leben der Ruth Maier, die nun im Stadttheater gezeigt wird.

Tagebücher und Briefe

Ruth Maier wächst behütet in Wien auf. Ihr Vater stirbt, als sie 13 Jahre alt ist. Ab 1933 führt sie Tagebuch, schreibt darin über ihre Gefühle, ihren Alltag, später auch über politische Geschehnisse. Ruths Großmutter war zwar jüdischer Herkunft, die Familie jedoch aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten. „Ruth hatte keinen Bezug zum Judentum.“ Nach dem Einmarsch der Nazis muss sie die Schule verlassen, die Familie verliert ihre Gemeindewohnung, zieht in ein kleines Untermietszimmer, Ruth erlebt die Novemberpogrome: „Sie haben uns geschlagen! Gestern war der schrecklichste Tag, den ich je erlebt habe … Ich weiß, was Menschen tun können, Menschen, die Ebenbilder Gottes“, schreibt sie in ihr Tagebuch. „Im Gegensatz zu Anne Frank, die sich in ihren Tagebüchern viel mit dem Jüdischsein und theologischen Überlegungen auseinandersetzt, schreibt Ruth Maier zwar über ihre jüdische Identität, stellt diese aber auch in Frage“, so Garscha. „Gleichzeitig entwickelt sie große Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft.“

Ruths Mutter plant, Österreich zu verlassen. Ruths Schwester Judith gelangt 1938 mit einem Kindertransport nach England. Ruth selbst ist dafür schon zu alt, deshalb nimmt ihre Mutter Kontakt mit einem Bekannten in Norwegen auf, der die junge Frau Ende 1939 aufnimmt. Mutter und Großmutter schaffen es später nach England.

Ruth geht in Norwegen weiter zur Schule, macht die Matura. Und sie lernt die bekannte Dichterin Gunvor Hofmo kennen, aus der Freundschaft der beiden wird Liebe. Als die Qusiling-Regierung, Hitlers Marionetten, 1942 in Norwegen die Herrschaft übernimmt, beginnt man sofort, die Juden im Land zu registrieren. Ruth wird im November verhaftet und mit dem ersten großen Deportationstransport per Schiff von Oslo nach Stettin und von dort nach Auschwitz gebracht, wo sie gleich nach der Ankunft ermordet wird. „Von den 700 norwegischen Juden werden nur 15 junge Männer für Arbeit aussortiert, alle anderen werden getötet“, so Garscha.

Gunvor Hofmo sollte trotz intensiver Recherche nie erfahren, was mit Ruth geschehen ist. Sie verfasst ein Gedicht über ihre Freundin, das in den Schulen Norwegens zur Standardliteratur wird. Nach ihrem Ableben 1995 findet man in ihrem Nachlass eine Kiste mit den Tagebüchern und Briefen Ruths. Gemeinsam mit den Briefen an ihre Schwester Judith gehören diese seit 2014 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Von Melanie Wagenhofer