Die bunten und amourösen Abenteuer des jungen Goldmund

Ruzowitzky verfilmt „Narziss und Goldmund“ ohne Scheu vor Kitsch

Welches Herz schlägt lauter? Jenes, das die Welt sinnlich erfassen will, sich treiben lässt und Grenzen nur entdeckt, um sie zu überwinden? Oder das, das in der Konzentration, der Disziplin und Beschränkung seine Erfüllung findet? Glücklich, wer seine ganz persönliche Antwort findet.

Hermann Hesse hat sich dieser wohl unbeantwortbaren Frage im Roman „Narziss und Goldmund“ gewidmet, verfilmt hat das zum Kult gewordene Werk noch niemand — bis Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky sich über den Stoff seines Lieblingsbuches zu Teenagerzeiten hermachte, das Drehbuch (gemeinsam mit Robert Gold) schrieb und Jannis Niewöhner als ekstatischen Goldmund und Sabin Tambrea als vergeistlichten Narziss vor die Kamera holte.

Narziss und Goldmund lernen sich als Kinder im Kloster kennen, werden trotz ihrer damals schon offenkundigen Unterschiede zu Freunden. Über die Jahre werden die weltanschaulichen Gräben zwischen ihnen zwar immer tiefer, die menschliche Nähe jedoch immer enger.

Eine schöne naive Mittelalterwelt

Die Freundschaft soll Jahre halten, Ruzowitzky bringt den im Roman lange Zeit nicht präsenten Narziss mit Rückblenden ins Geschehen. Primär handelt der Film aber von Goldmunds amourösen Abenteuern und das konventionell, erwartbar und — ungewöhnlich fürs Mittelalter, jene Zeit, in der die Geschichte angesiedelt ist — sehr bunt. Der flotte Goldmund schläft sich durch die Betten der ihm verfallenen Damenwelt, wendet sich immer wieder einmal der Kunst zu, betrachtet die Welt recht schön und auch recht naiv. Und so bekommen wir Kinobesucher sie auch zu sehen.

Ganz im Gegenteil dazu der introvertierte Narziss, der zwar innerlich nach Goldmund und seinem schönen Körper schmachtet, jegliche Emotionen nach außen aber gut zu verbergen weiß. Er steigt zum Abt auf und als er wieder auf Goldmund trifft, wird klar, was er die vergangenen Jahre gemacht hat: bewahren. Die Zeit stand im Kloster still, während Goldmund sich und die Frauenwelt bestens kennengelernt hat. Hinter beiden Leben steht eine Sehnsucht nach der ultimativen Weiblichkeit, der Mutter. Hier soll noch einiges entflammen …

Vor Kitsch hat Ruzowitzky keine Angst und Scheu und für ein lockerflockiges Gefühlskino gibt es vielleicht gerade jetzt Publikum. Auch wenn die Pestszenen heute mehr unter die Haut gehen, als sie es wohl noch vor ein paar Wochen getan hätten.

Die mobile Version verlassen