Die Carmen und Ihre Habanera

Attergauer Kultursommer: George Bizets Oper „Carmen“, abwegig arrangiert von Tscho Theissing

Großartige Carmen: Natalia Kawałek © Tibor Pluto

Markenzeichen des Attergauer Kultursommers sind außergewöhnliche Konzerte von Klassik bis ins Hier und Jetzt. Am Mittwoch gab es in der St. Georgener Attergauhalle George Bizets „Carmen“ als konzertante Performance mit gesungenen Sequenzen aus dem Original und erklärenden Zwischentexten.

Das Werk zählt heute zu den Hits weltweiter Opernbühnen. Bis zum Siegeszug brauchte es allerdings einige Überarbeitungen. Erst die vollständig durchkomponierte Wiener Fassung, von Gustav Mahler eingeführt, füllte die Opernhäuser. Bizet selbst konnte den Triumph nicht mehr genießen. Er starb mit nur 36 Jahren, kurz nach der Uraufführung 1875 in Paris. Seither bearbeiteten Heerscharen von Künstlern den Stoff in Dutzenden Versionen und Verfilmungen.

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Außergewöhnliche musikalische Formation

Am Donnerstag packte eine außergewöhnliche musikalische Formation das Stierkampfdrama bei den Hörnern. Eingedampft auf gute zwei Stunden, führt das Tscho Theissing Trio die baskisch-andalusischen Schmuggler und ihre Verfolger, sowie den Toreador musikalisch auf Abwegen in die Wiener Vorstadt. Theissing war Teil der Extremschrammeln und arbeitete mit Größen aus der Klassik- und Jazzszene zusammen.

Auf der Bühne wissen Georg Breinschmid am Kontrabass, Violinist Sebastian Gürtler und Tommaso Huber am Akkordeon genau, dass picksüß und todtraurig zum Feuer der spanischen Folklore so gehören wie zur Wiener Musi. Gleich einem Opernorchester agieren sie präzise in allen Tonlagen, Einsätzen, Tempi und Lautstärken. Ein Dreivierteltakt kann Basis für Flamenco dienen, oder Tellerscherben als Ersatz für Kastagnetten.
Schon zur Ouvertüre, im Original dem „Aufmarsch der Toreadores“, geht’s auf in den instrumental einwendigen Kampf um Liebe und Leidenschaft.

Kawalek beherrscht Jazz wie Oper

Mezzosopranistin Natalia Kawałek als Carmen beherrscht Jazz wie Oper. Verführerisch lässig tritt sie mit der berühmten „Habanera“ auf. Tenor David Jagodic als Don José besingt seine wachsende Liebe zu Carmen wohl mit samtiger Stimme, doch von brennender Leidenschaft keine Spur. Emotionslos erklärt auch Burgtheaterschauspieler Juergen Maurer die Handlung. Der Fokus liegt auf Josés Entwicklung vom braven Polizisten, der eigentlich ein „Mädchen mit Zöpfen“ heiraten wollte, zum mehrfachen Mörder.

Witzige Version

Wenn die beiden Protagonisten mit den Opernhits in die Erzählung einsteigen, Zeit haben, sich warmzusingen, kommt bei den Duetten echte Operndramatik auf. Daneben machen sich die Musikanten eine Gaudi draus, als sie etwa den finalen Torero-Gassenhauer wie Straßenbuben pfeifen oder in jazzige Impros abzweigen. Dass Don Jose seine Carmen am Schluss ersticht, weiß jeder, gehört halt einfach auch dazu.

Eine witzige Version der Oper, mit zwei überzeugenden Opernsängern, drei meisterhaften Instrumentalisten in einer unschlüssigen Inszenierung zwischen den Genres. Jubel und großer Applaus für einige schöne Momente.

Von Eva Hammer