Am Anfang stand ein antiker Tisch. Hollywoodstar Kate Winslet kaufte das Möbelstück in einer Auktion und erfuhr, wer alles schon daran gesessen hatte. Künstler wie Picasso oder Man Ray – und Lee Miller, eine mutige Frau, die im Zweiten Weltkrieg gegen alle Widerstände als Kriegsreporterin an die Front ging, um von dort zu berichten. So fasziniert war Winslet von ihr, dass sie einen Film über die US-Amerikanerin vorantrieb. Nun startet „Die Fotografin“ in den heimischen Kinos.
Spannend und intensiv
Das Biopic ist ein spannender und intensiver Film, mit Winslet selbst in der Hauptrolle sowie Marion Cotillard und Alexander Skarsgard – und einer wichtigen Botschaft an die Frauen: Kämpft für das, was euch wichtig ist und lasst euch nicht unterkriegen. „Sie war eine Frau von Welt, eine enorme Kämpferin für die Belange anderer Frauen. Und sie hat Großartiges geleistet“, schwärmt Winslet über Miller, die am 23. April 1907 als Elizabeth Miller in Poughkeepsie im US-Bundesstaat New York zur Welt kam.
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Lee war hübsch und begehrt und posierte auch als Fotomodel. Der berühmte Fotokünstler Man Ray wurde ebenso auf sie aufmerksam wie Picasso. Ein Leben mit Reisen, Partys und eleganten Kleidern, bis sie schließlich ihre große Liebe trifft – den Kunsthändler Roland Penrose (Skarsgard).
Der von Winslet und Kate Solomon produzierte Film unter Regie von Ellen Kuras hält sich nicht lange mit diesen Jahren des mondänen Jet-Set-Lebens auf. Es sei uninteressant, von kleinen Ausschnitten ihres Lebens zu erzählen, rein durch eine männliche Brille, sagt Winslet. Sie zeigt lieber eine Lee, die nicht länger nur Objekt für schöne Bilder sein will. Sie möchte selbst fotografieren, etwas mitteilen.
Für die „Vogue“ an die Front
Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, will Lee nicht nur tatenlos herumsitzen, sondern berichten, was dort geschieht. Gegen alle Widerstände will sie als Kriegsreporterin für die britische „Vogue“ an die Front, in eine Männerdomäne.
Man könnte dem Film vorwerfen, dass er recht konventionell und geradlinig erzählt ist, ohne Überraschungen, so wie es in der Biografie von Millers Sohn Antony Penrose nachzulesen ist. Doch das schadet der Geschichte kein bisschen, sondern macht sie nachvollziehbar.
Hervorragend inszeniert
Die hervorragend inszenierten, atmosphärisch dichten Bilder tun ein Übriges. „Die Fotografin“ zeigt die Düsternis, die der Nationalsozialismus in ganz Europa verbreitet und unter der auch Miller und ihre Freunde leiden, etwa Solange D’Ayen (Cotillard), Gattin eines französischen Widerstandskämpfers. Die Bandbreite reicht vom eleganten Leben bis hin zu den Schrecken des Krieges und des Holocaust.
Was den Film aber vor allem so besonders macht, ist Winslet selbst. Die 48-Jährige macht aus Lee keine Ikone mit hehren Idealen, sondern eine nahbare Person, weit weg vom Ideal der hübschen, sittsamen Trophäenfrau.
Respektvoll vor den Leidenden
Die Fotografin ist erfüllt von ihrer Arbeit und nimmt das Publikum mit in die finstersten Kapitel der Geschichte. Durch ihre Augen wird man selbst zum Beobachter von Leid und Grauen, nicht voyeuristisch, sondern respektvoll vor den Leidenden. Lee geht es nicht um Ruhm. Sie will den Opfern von Krieg, Genozid und Folter eine Stimme geben, ihre Tortur dokumentieren und die Welt aufrütteln. So etwa, wenn sie an der Seite ihres jüdischen Kollegen David E. Sherman (Andy Samberg) vom „Life Magazine“ als eine der ersten die Leichenberge und die völlig entkräfteten Häftlinge in den befreiten Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau ablichtet.
In Hitlers Badewanne
Winslet macht die Verzweiflung und Zerrissenheit ihrer Figur spürbar, ihr Entsetzen, das ihr die Sprache verschlägt und das sie später mit Alkohol zu betäuben sucht. Doch es gibt auch die andere Lee, die ihren scharfsinnigen Humor nicht verloren hat. Nicht anders lässt sich das berühmte Bild erklären, das Sherman von ihr machen musste: Lee Miller nimmt ein Bad in München – in Adolf Hitlers Wohnung, in seiner Badewanne.
Eine Aufnahme, die Rätsel aufgibt. Warum machte Lee das? Auch Winslet kann nur vermuten. „Ich glaube nicht, dass sie die Wohnung mit irgendeinem Plan betreten hat. Sie dachte wahrscheinlich, da gibt es ein Badezimmer mit einer Badewanne und heißem Wasser.“ Ein Luxus für Lee, den sie seit Wochen entbehren musste. „Natürlich wird sie ein Bad nehmen. Ein schönes, heißes Bad war ihr wichtiger als die Tatsache, dass die Badewanne Hitler gehörte. Sie war jemand, dem so etwas einfach egal war.“ Oder vielleicht nicht ganz, meint Winslet. „Als sie es dann tatsächlich tut, habe ich sie vor Augen, wie sie denkt, heilige Scheiße, ich mache es wirklich.“