Sehr erfolgreich startete das Linzer Musiktheater am Samstag (21. September) in die neue Saison: Wolfgang Amadeus Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“ feierte in der Neuinszenierung durch die erfahrenen Mozart-Spezialisten Francois De Charpentries (Regie), und Karine Van Hercke (Bühne, Ausstattung) eine mit Begeisterung aufgenommene Premiere.
Die Inszenatoren setzten beträchtliche Mühe ein, die weltweit mit Abstand meistgespielte Oper sozusagen nicht nur neu „einzukleiden“, sondern mit einer tragfähigen Basis-Idee auszustatten, was mit nicht geringem Risiko verbunden ist. Vorweg kann gesagt werden:
Der Versuch ist großteils geglückt. Es geht darum, den nicht unkomplizierten und von Konflikten begleiteten Weg zu den schöpferischen Grundlagen der Musik auszuleuchten und diesen Weg obendrein mit der künstlerischen Biografie des jungen Mozart zu verknüpfen.
Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die Handlung der Oper bereits mit überbordender Symbolik ausgestattet ist, die zum Teil dem Freimaurertum und der ägyptischen Mythologie, aber auch vielen anderen Quellen zugeschrieben wird; allein die Interpretationsversuche dieser Symbolik füllen Bände.
Sie verschwinden in der Linzer Inszenierung nicht: Das Dreieck steht für Magie und Spiritualität, das Quadrat für das Irdische, und der Kreis für Unendlichkeit. So beherrschen in der Zauberflöte drei Paare das Geschehen, drei Damen und drei Knaben treten als Retter auf, Tamino muss drei Prüfungen bestehen, usw.
Dazu tritt nun jede Menge an Musik-Symbolen: teils als begleitende Graphik (Video: Aurelie Remy), oder in Form kleiner und riesiger Instrumente, ja sogar als Ort der Handlung: Die ersten Prüfungen finden im Inneren eines Streichinstruments statt.
In der Optik dominieren drei Schlüsselzeichen und Notenlinien; letztere werden als Korpus der Schlange (die offenbar für herrschende Moden der Musik steht) und schützende oder bremsende Barrieren eingesetzt. Insgesamt entsteht ein Übermaß an Symbolik, das zusammen mit langen Dialogen und schleppenden Tempi Ermüdung auslösen kann.
Die traditionellen Rollen des Guten (Sarastro) und Bösen (Königin der Nacht) sind bereits doppeldeutig angelegt: Sarastro hält Pamina gefangen; aber die überlebenswichtigen Instrumente für Tamino und Papageno kommen von der Königin: Zauberflöte und Glockenspiel.
Die Namen der Protagonisten selbst sind symbolhaft: In Pamina steckt die Seele („Anima“), in Tamino Idee und Kreativität „Animo“. Darauf baut die Inszenierung weiter: Sarastro steht für das Regelwerk, die Königin für freie Intuition; schon während der Ouvertüre gerät das Kind Mozart in diesen elterlichen Konflikt und flüchtet in einen Traum, in dem es als Tamino erwacht und so die eigentliche Oper einleitet. Am Ende reichen sich die „Feinde“ Sarastro und Königin der Nacht die Hand: Musik lebt eben von Ideen und Intuition, aber ihre unentbehrliche Grundlage ist das Regelwerk.
Musik ist auch allgegenwärtig, nur in den zu breit ausgewalzten Dialogszenen fehlt sie. Ingmar Beck dient als Dirigent ganz der Inszenierungsidee, findet jedoch in den Tempi nicht immer die goldene Mitte: Überwiegend bevorzugt er das Gemächliche, selten das Überhitzte; das Bruckner Orchester spielt freilich durchwegs „con animo“.
Die Sängerinnen und Sänger lassen kaum Wünsche offen: SeungJick King lässt als Tamino seinem wunderbaren lyrischen Tenor freien Lauf, Fenja Lukas gibt eine fast dominierende Pamina, die zwischen resolutem Feminismus und zarter Hingabe pendelt.
Dominik Nekel entwickelt eindrucksvoll die vielen Bass-Facetten des Sarastro, Morgana Heyse brilliert in den halsbrecherischen Koloraturen der „Königin der Nacht“ mit sicherer Technik. Alexander York verleiht dem Papageno gleichermaßen komödiantische wie allzu menschliche Konturen, die Papagena der Sophie Bareis steht ihm um nichts nach. Martin Achrainer beeindruckt als klar artikulierender „Sprecher“, und Christian Drescher tobt sich gekonnt als „hellhäutiger“ Monostatos aus. In seinem Fall hat sich die Inszenierung selbst ein Bein gestellt; denn der eliminierte mögliche Vorwurf „Rassismus“ mündet in eine neue Diskriminierung: als Schlagwerker ist er nämlich ein „Schläger“.
Die „Drei Damen“ Gotho Griesmeier, Manuela Leonhartsberger und Angela Simkin sind mit Freude nicht nur vokal, sondern auch spielend am Werk. Ähnliches gilt für die „Drei Knaben“ Elisabeth Baehr, Selma Spitzer und Gabriel Federspieler, der in seiner zweiten Rolle als „junger Mozart“ am Ende für köstliche Überraschung sorgt.
Diese Knaben fegen fast nur in der Gruppe mit einem Kinderchor über die Bühne; parallel dazu geben Mitglieder der oö. Tanzakademie stimmungsvoll besonderen Szenen das gewisse Etwas, choreographiert von Ilja van den Bosch; der Chor des Landestheaters ebenso wie der Kinderchor, bestens geleitet von Elena Pierini, sorgt in verschiedensten Situationen für szenisches und vokales Rückgrat des Geschehens.
Zum Schluss berechtigter Jubel für die Solist*innen, aber auch für das gesamte vokale Ensemble, Orchester, Dirigent und das inszenatorische „Leading Team“.
Von Paul Stepanek