„Dreaming Dogs“: Intimes Porträt von Moskaus Outsidern

In „Space Dogs“ (2019) spürte das österreichisch-deutsche Regieduo Elsa Kremser und Levin Peter bereits dem Leben von Hunden am Rande der Gesellschaft von Moskau nach. Nun legt man mit dem diesjährigen Viennale-Beitrag „Dreaming Dogs“ auf ähnliche Weise, aber doch ein Stück anders nach: Der Film gerät zu einem unkommentierten Porträt einer Außenseitergang mit zwei und vier Beinen.

Der Blick in den Alltag von Protagonistin Nadezhda Sobetskaya – der selbstbenamsten „Babuschka“ – und ihrer Hunde „Dingo“, „Mucha“ und Co auf einer alten Industriebrache am Rande der Großstadt ist der Dreh- und Angelpunkt des von Yunus Roy Imer sehr direkt mit der Kamera eingefangenen Geschehens. Er zeichnete auch für „Space Dogs“ verantwortlich, wo er oft auf der tiefen Blickebene der Hunde arbeitete. Dem Konzept bleibt man auch beim neuen Streifen treu, wo einander wieder lange, statische Kameraeinstellungen und bewegte Aufnahmegerätfahrten bei den Streifzügen von Hund und Mensch quasi die Klinke in die Hand geben.

Der Zuschauer wird sich selbst überlassen

Bis auf eine kurze Erklärung des Settings in dem die Hauptfiguren in äußerst ärmlichen, mehr oder weniger improvisierten Hütten leben, überlässt man den Zuschauer in seinen Hypothesen zum Gezeigten komplett sich selbst. Gesprochen wird einzig von den Hüttenbewohnern und natürlich der mitteilsamen „Babuschka“, die sich mehrfach darüber beklagt, dass die Vierbeiner ihr nicht und nicht antworten. Die Kamera ist nahe dran an den Aktivitäten, wie etwa dem Suchen nach Altmetall, dem Suchen nach allerlei anderem Brauchbarem und nach den sich freigeistig auf dem vom Rest der Stadt vergessenen Areal bewegenden Hunde.

So versteckt man sich vor der Polizei in der Barackensiedlung, schützt sich vor Regen in einem alten Auto und streift über Bahngleise auf denen offenbar schon lange kein Zug mehr gerollt ist. Weder für die Menschen noch für die Hunde scheint Platz in den wirklich urbanen Gegenden der geschäftigen Hauptstadt zu sein. So hat man eine Zweckgemeinschaft oder eher eine recht liebevolle, seltsame Halbobdachlosen-Halbstreuner-Wohngemeinschaft am äußersten gesellschaftlichen Rand gebildet, in der Kreuzworträtsel gelöst werden, „Findet Nemo“ angeschaut, lautstark gestritten und gelegentlich Wodka getrunken wird.

Verzicht auf Stimme aus dem Off tut gut

Im Gegensatz zu „Space Dogs“ verzichtet die Produktion auf eine Stimme aus dem Off, die bemüht wirkendes, poetisch-pathetisch Angehauchtes daherredet. Das tut durchaus gut. Trotzdem hat man als Seher oft das Gefühl, alleine gelassen zu werden. Wie kamen die Menschen in diese Lage? Wie formierte sich die Lebensgemeinschaft? Wie schafft es Sobetskaya trotz ihrer bitteren Armut, die Tiere zu versorgen? All das kann man sich aus den Aussagen der Menschen kaum zusammenreimen – ja, und die Hunde sind selbstredend auch keine große Hilfe, ebenso wie die spärlichen Kontakte der ungewöhnlichen Gang zur Außenwelt.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass sowohl die Tiere als auch die Frau ohne einander verloren wirken und wahrscheinlich mit den Härten ihres Alltags nicht oder noch schwerer zurechtkommen würden. Als Betrachter kann einen letztlich das Gefühl beschleichen, nicht ganz zu wissen, was man da über knapp 80 Minuten eigentlich gesehen hat bzw. in welche Welt man hier einen kleinen Einblick bekommen hat. Diese Emotion zu erzeugen und den eigenen Alltag vielleicht perspektivisch etwas anders zu sehen, ist vermutlich auch die Intention hinter der durchaus rätselhaften Produktion.

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