Jugendliche verwenden seit Jahren immer mehr Informations- und Kommunikationstechnologien. Ihre digitalen Kompetenzen sind aber nicht im gleichen Ausmaß gewachsen, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der International Association of Educational Achievement (IEA). In Österreich etwa fehlen über einem Drittel der Schülerinnen und Schüler der 8. Schulstufe (4. Klasse Mittelschule bzw. AHS) selbst die absoluten Basics im Umgang mit Computer und Internet.
Im Schnitt aller 35 Länder und Bildungsregionen, die an der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2023) teilgenommen haben, hat die Hälfte der Jugendlichen bei den computer- und informationsbezogene Kompetenzen maximal Kompetenzstufe 1 bzw. darunter erreicht. Diese Schüler können am Computer nur absolute Routineaufgaben unter direkter Anleitung lösen und haben große Probleme, die Vertrauenswürdigkeit digitaler Quellen einzuschätzen. In den europäischen Ländern waren 43 Prozent auf diesem Level, in Österreich mit 39 Prozent etwas weniger. Damit ist man allerdings auch hierzulande noch weit entfernt vom von der EU ausgegebenen Ziel, dass bis 2030 maximal 15 Prozent der 14-Jährigen unter Kompetenzstufe 2 abschneiden sollen.
Kompetenzstufe 2 und damit Grundwissen und -fertigkeiten haben 44 Prozent der österreichischen Testteilnehmenden erreicht. Auf Kompetenzstufe 3, auf der man bereits eine gewisse Eigenständigkeit beim Problemlösen aufweisen muss, landeten 17 Prozent der österreichischen Jugendlichen. Nur 1 Prozent schaffte es auf die höchste Kompetenzstufe 4. Mit 506 Punkten in diesem Testbereich schnitt Österreich insgesamt signifikant besser ab als der Schnitt der Vergleichsländer und auch der europäischen Länder, erklärte IEA-Geschäftsführer Dirk Hastedt im Gespräch mit der APA. Im Testbereich „Computational Thinking“ – hier geht es um das Verständnis, wie Computer funktionieren – liegt Österreich punktemäßig hingegen etwas unter dem Länderschnitt (476 gegenüber 483 Punkte), allerdings nicht statistisch signifikant. Wie im Schnitt aller Länder landeten hier auch in Österreich zwei Drittel mindestens auf Kompetenzstufe 2.
Viel größer als zwischen den Ländern seien durchgehend allerdings die Leistungsunterschiede nach sozioökonomischer Herkunft der Schüler, betonte Hastedt. Das zeigt sich einmal mehr besonders deutlich in Österreich: Bei den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen erreichten Schüler, die daheim nicht Deutsch sprechen, um 38 Punkte und Schüler mit Migrationshintergrund um 28 Punkte weniger. Schüler, deren Eltern niedrige Bildungsabschlüsse haben, lagen 33 Punkte zurück. Noch größer sind die Rückstände beim Testbereich Computational Thinking (58, 44 bzw. 49 Punkte). Unterschiede gibt es auch nach dem Geschlecht: Während Mädchen bei den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen 15 Punkte höher scorten als die Burschen, lagen sie beim Computational Thinking um 12 Punkte hinten.
Man kenne diese Unterschiede nach Herkunft aus allen internationalen Bildungsvergleichen, so Hastedt, dessen IEA auch die Volksschul-Vergleichsstudien PIRLS (Lesen) und TIMSS (Mathe, Naturwissenschaften) durchführt. „Vielleicht noch frappierender“ mache den Unterschied bei den Computerkompetenzen allerdings, dass die Jugendlichen bei der ICILS-Studie von der Suche nach Informationen im Internet bis zum Umgang mit Privatsphäre-Einstellungen fast alles hauptsächlich außerhalb der Schule erlernt haben. „Die Unterschiede zwischen denen, die das zuhause oder von ihren Freundinnen und Freunden erlernen oder eben auch nicht, sind deshalb bedeutend größer.“
Digitale Kompetenzen müssten deshalb stärker in den Lehrplänen verankert werden, forderte Hastedt. Man müsse sich vom „Mythos“ der Jungen als sogenannte Digital Natives verabschieden. Nur weil die Jugendlichen etwa das Handy täglich intensiv nutzen, heiße das nicht, dass sie auch die für das 21. Jahrhundert nötigen Digitalkompetenzen erwerben. Im Vergleich zur ICILS-Studie von 2013 (an der Österreich nicht teilgenommen hat, Anm.) hätten die Kompetenzen sogar tendenziell abgenommen. Oftmals würden Fähigkeiten wie etwa Powerpoint-Präsentationen oder Internetrecherche von den Schülern erwartet, ohne ihnen davor den richtigen Umgang damit beizubringen. Ein weiterer Hebel zur Verbesserung wäre für Hastedt die Aus- und Fortbildung des Lehrpersonal, das diese Themen wirklich gut unterrichten können müsse. Ein Problem sei in vielen Ländern außerdem, dass die digitalen Kompetenzen in den Lehrplänen vorkommen, aber nicht explizit abgeprüft würden. Das sei aber wichtig, damit die Schüler diese Inhalte auch wirklich lernen, betonte Hastedt.
Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) verwies auf die laut Studienergebnissen überdurchschnittlichen computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schüler in Österreich und sprach von einem „wichtigen Erfolg für das österreichische Bildungssystem“. Man sei „auf dem richtigen Weg, um junge Menschen auf die Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Welt vorzubereiten“, hieß es in einer Aussendung. Die Kompetenzunterschiede nach sozialem Status und Migrationshintergrund seien aber eine „Herausforderung“.
Experten im Bildungsministerium sehen bei den Kompetenzen der Lehrkräfte noch „Potenzial“. Zwar gebe es mittlerweile einen Hochschullehrgang für bereits im Dienst befindliche Pädagoginnen und Pädagogen. Man müsse das Thema aber noch viel stärker in der Grundausbildung, also im Lehramtsstudium, verankern, hieß es bei einem Hintergrundgespräch. Dazu habe man in den neuen Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten Schritte gesetzt.
Für den sozialen Ausgleich verwies man auf die 2021 gestartete Geräteinitiative des Ministeriums. Im Rahmen dieser erhalten Schülerinnen und Schüler der fünften Schulstufe günstige bzw. kostenlose Endgeräte. Die diesmal im Rahmen von ICILS getesteten Jugendlichen hätten davon aber noch nicht profitiert. Mit den Geräten habe man allerdings nur die Rahmenbedingungen geschaffen, ist man sich im Ministerium bewusst – nun müssten einerseits die Lehrkräfte motiviert werden, diese auch im Unterricht zu nutzen. Andererseits sollten aber auch die Eltern darauf achten, dass die Geräte nicht nur zum Spielen verwendet werden.
Insgesamt nutzen Jugendliche die Informations- und Kommunikationstechnik auch an Schultagen vor allem für nicht-schulische Belange. Ein Limit von den Eltern gibt es dabei laut der Untersuchung, an der über 130.000 Jugendliche und über 60.000 Lehrpersonen in 35 Bildungssystemen teilgenommen haben, übrigens vergleichsweise selten: In Österreich gaben 68 Prozent der 14-Jährigen an, dass bei ihnen an Schultagen kein Limit bei der Nutzung digitaler Medien gilt. In der schulfreien Zeit sind es 81 Prozent.