Ihr Podcast „Mord auf Ex“ verzeichnet monatlich rund 5 Millionen Downloads, nun sind die beiden 30-jährigen Deutschen Leonie Bartsch und Linn Schütze damit auf großer Tournee und gastieren in der Stadthalle Wien. Mit der APA sprachen sie über ihren Antrieb, seit fünf Jahren True-Crime-Geschichten zu erzählen, die Herausforderung, 10.000 Livezuschauer nicht zu langweilen und den Anspruch, auch Licht in ganz aktuelle Fälle zu bringen.
APA: Mit einer Laufzeit von fünf Jahren gehört „Mord auf Ex“ zu jenen Podcasts, die über die zahlreichen Wellen hinweg auf dem Markt geblieben sind. Was hat Sie – abgesehen von den exorbitant hohen Downloadzahlen – motiviert, so lange dran zu bleiben?
Linn Schütze: Ich glaube das Entscheidende ist, dass man das, was man tut, wirklich lieben muss. Ein Podcast ist einfach sehr, sehr viel Arbeit, das unterschätzt man. Deswegen verstehe ich auch, dass viele irgendwann sagen, ich schaffe das nicht mehr. Leo und ich sind ja wirklich beste Freundinnen, bei uns ist alles sehr familiär. Unser ganzes Team besteht aus Freunden, Familie und Leuten, denen wir voll vertrauen. Und das hilft uns total. Wir machen „Mord auf Ex“ hoffentlich noch, wenn wir 80 Jahre alt sind.
Leonie Bartsch: Und wir lieben es, Storys zu erzählen. Wenn wir „Mord auf Ex“ nicht machen würden, würden wir wahrscheinlich irgendwie anders Geschichten erzählen. Deshalb kam ja auch „True Love“ irgendwann dazu, weil wir alle die Passion haben, wahre Geschichten zu recherchieren, zu schreiben, zu erzählen. Unser Team ist so kreativ, das ist sozusagen das Fundament von allem. Aber natürlich ist es auch schön zu sehen, dass die Hörerinnen und Hörer immer noch da sind und auch zu unserer Überraschung immer noch mehr werden.
APA: Viele erfolgreiche Podcasts kommen von Journalistinnen oder Journalisten. Denken Sie, dass das dazu beiträgt, dass ein Podcast nicht nur ein kurzlebiges Hobby bleibt?
Schütze: Es hilft natürlich, den journalistischen Background zu haben und auch zu wissen, wie man schnell arbeitet. Auch haben wir im Team mittlerweile Leute, die vorher für den „Spiegel“, den „Stern“ und für die „Zeit“ gearbeitet haben. Die wissen, wie man tagesaktuell auch in zwei Wochen eine Recherche machen kann, wie zuletzt etwa bei unserer Folge über P. Diddy.
Bartsch: Es kommt auch ein bisschen darauf an, um welche Art von Podcast es geht. Für einen Comedy- oder Lifestyle-Podcast muss man ja nicht irgendwie ausgebildet sein, da muss man wahrscheinlich nur lustig sein oder interessant. Aber gerade bei Storytelling-Formaten oder Narrativ-Podcasts ist es ganz natürlich, dass Menschen aus der Medienwelt sich dieses Mediums irgendwann annehmen, weil damit zu Fernsehen, Radio und Zeitung eine weitere Möglichkeit der Veröffentlichung gekommen ist, bei der man aber nicht mehr auf 100 Gremien hoffen muss, ein Projekt durchzuwinken. Man kann ziemlich autonom arbeiten.
APA: Ihre Livetour führt Sie in die Wiener Stadthalle. Die Ankündigung lässt vermuten, dass Sie dort nicht einfach nur auf der Bühne sitzen und eine Liveaufnahme machen. Was ist geplant?
Bartsch: Uns ist vollkommen klar, dass es gerade in so einer großen Arena für die Menschen auch anstrengend sein kann, aktiv zwei Stunden nur zuzuhören. Normalerweise hört man Podcasts ja beim Fahrradfahren, beim Aufräumen oder auf dem Weg zur Arbeit. Es ist ein Nebenbeimedium geworden. Daher haben wir den Anspruch, den Fall so kreativ und überraschend zu erzählen, dass es wirklich für die Zuschauer und Zuschauerinnen etwas ist, das sie sonst nicht im Podcast bekommen. Sie kriegen auf der Livetour nicht nur Audio, sondern wir haben die Möglichkeit, diesmal auch visuell zu werden. Es gibt quasi fast schon Dokumentarfilme zwischendrin. Aber wir wollen nicht zu viel verraten.
Schütze: Es wird eine ziemlich unglaubliche Show. Von Videos über Schausteller bis zu Gästen ist, glaube ich, alles dabei. Es soll irgendwie auch Entertainment sein, aber auch respektvoll gegenüber den Betroffenen. Uns war zum Beispiel wichtig, diesmal einen Fall mit Angehörigen zu bringen und Betroffene selbst erzählen zu lassen. Das drehen wir im Vorfeld total aufwendig. Wir haben über ein halbes Jahr in die Vorbereitung gesteckt.
Bartsch: Wir werden im Januar zwei, drei Wochen in einem anderen Land sein, wo der Fall passiert ist und dort vor Ort recherchieren, drehen, und ein paar Unklarheiten nachgehen.
APA: Das heißt, Sie erzählen in jeder Stadt dieselbe Geschichte?
Schütze: Das war eine schwierige Entscheidung, weil es natürlich schön ist, überall einen neuen Fall zu erzählen. Aber die aufwendige Produktion, die es am Ende werden wird, ist einfach nicht acht Mal möglich. Es ist natürlich nicht alles komplett durchgescriptet. Das macht ja irgendwie auch den Podcast aus, dass man auch mal eine spontane Bemerkung macht und nicht nur abgelesen wird.
Bartsch: Vielleicht gibt es ein paar Überraschungen pro Stadt. Aber es ist wirklich eine sehr aufwendige Produktion, wo jeder Komparse, jedes Video, jede kleinste Sache im Set ineinander stimmig ist. Und man muss nicht nach Berlin reisen, um die Show zu sehen, sondern unsere Schweizer und österreichischen „Exis“ kriegen die Chance, genau die gleiche Show zu sehen.
Bartsch: Ich bin eigentlich ganz froh, dass man sich an irgendwas festklammern kann, dass ein Konzept da ist, wenn wir von 10.000 Leuten auftreten. Die Aussicht, dass ich mir nicht jedes Mal was komplett Neues aus den Fingern saugen muss, ist sehr beruhigend.
APA: Ihre eigenen Fans werden Ihnen aber sicherlich wohlgesonnen sein …
Schütze: Da geht es eher um unsere eigenen Ansprüche. Wir saßen vor fünf Jahren bei Leo im kleinen WG-Zimmer mit zwei Podcast-Mikros und haben gedacht, das werden sich nur unsere Freunde und unsere Familie anhören. Und heute füllen wir Arenen. Das ist alles sehr, sehr schnell gegangen. Wenn du in so einer Halle stehst und das erste Mal auch siehst, wie viele Leute da wirklich sitzen und dich hören, das macht was mit einem. Das hat uns schon bei den 2.000 Leuten letztes Jahr überfordert. Und ich bin gespannt, wie das dieses Jahr wird.
APA: Warum haben Sie sich damals ausgerechnet für True Crime entschieden?
Schütze: Uns war immer schon klar, wir wollen Geschichten erzählen – und zwar wahre Geschichten. Ich habe irgendwann angefangen, True-Crime-Podcasts aus Amerika zu hören und fand das immer super spannend. Davon gab es damals in Deutschland total wenig und wenn – wie etwa „Zeit Verbrechen“ – ging es nur um deutsche Fälle. Leo hatte Lust, das gemeinsam zu probieren.
APA: Sie greifen auch ganz aktuelle Fälle auf, etwa jenen zum Missbrauchsverdacht rund um P. Diddy.
Bartsch: Das Gute ist: True Crime ist ja gar nicht definiert. Wir haben zum Beispiel bald die Ermordung von Julius Caesar auf der Themenliste. Dann habe ich mal eine Geschichte von einem Ex-Neonazi erzählt, der ausgetreten ist. Und dann gibt es natürlich auch einen klassischen Serienmörder, woran man als erstes denkt, wenn man über True Crime redet. Und P. Diddy gehört eben zu diesen eher alternativen Geschichten, wo wir gemerkt haben, es ist ein Verbrechen passiert, und man bekommt nur irgendwelche Schlagzeilen auf TikTok und Co. mit. Das haben wir uns zum Anlass genommen, mal ein bisschen tiefer gehend zu recherchieren und über den vollen Umfang zu berichten, damit Leute das auch ein bisschen einordnen können.
Schütze: Das ist halt das Tolle an Podcast. Wir können uns auch zwei, drei Stunden Zeit nehmen, um etwas zu erzählen – und nicht nur drei Minuten, wie ich das in meiner Redakteurszeit kennengelernt habe. Wir machen demnächst auch eine Folge zu Gisèle Pelicot, der Französin, die von ihrem Mann so lange vergewaltigt wurde. Diese aktuellen Themen sind natürlich sehr aufwendig, aber es ist uns sehr wichtig, dass wir diese Fälle für unsere Hörerinnen und Hörer einordnen.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
„Mord auf Ex“ in der Wiener Stadthalle, 26. Februar, 20 Uhr. aufex.de