Am Ende standen die vier Musiker mitten im Publikum, nur das nötigste Instrumentarium in den Händen. Glückliche Gesichter, eine feierliche Stimmung und ein nicht enden wollender Chor waren das Ergebnis von eineinhalb Stunden musikalischem Zauber, den Efterklang Dienstagabend im Wiener B72 vollbrachten. Die dänische Gruppe ist seit 20 Jahren ein Garant für Pop mit Anspruch, oder wie es ihr Sänger Casper Clausen ausdrückt: „Traurige Musik, die ein Lächeln trägt.“
Vor wenigen Wochen haben Clausen und seine Mitstreiter Mads Christian Brauer und Rasmus Stolberg, die live vom enorm agilen Drummer Tatu Rönkkö unterstützt wurden, das Album „Things We Have in Common“ veröffentlicht. Es ist das, was gemeinhin als Kammerpop bezeichnet wird und zehrt von ausgefeilten Arrangements, die stark auf Klavier, Synthesizer und Stimmen aufbauen. Doch eigentlich greift das viel zu kurz für die Songs, die Efterklang seit nun 20 Jahren fabrizieren: Es sind mannigfaltig instrumentierte Perlen, die mal ganz intim angelegt sind, um im nächsten Moment die Welt zu umarmen.
Live wurde das etwa beim früh gesetzten „To A New Day“ deutlich, das mit Clausens einnehmendem Timbre begann, um sich innerhalb von vier kurzen Minuten in ein großes Finale zu steigern, bei dem die Augen zufallen und die Hände wie von selbst nach oben wandern. Aber wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten, weshalb die Melancholie in Efterklangs Musik nicht zu kurz kommt. „All das passiert unbewusst“, erklärte Clausen vor dem Konzert im APA-Gespräch. „Wir mögen diese Ambivalenz, viele Leute können etwas damit anfangen. Es ist okay, dass die Dinge eine Traurigkeit und Tiefe aufweisen, gleichzeitig aber auch in eine andere Richtung zeigen. Früher war das vielleicht anders, unser Debüt hat sicherlich mehr die Dunkelheit des Geistes zelebriert.“
Allerdings ohne jegliche zerstörerische Energie, wie „Swarming“ bewies: Das vom angesprochenen Erstling „Tripper“ stammende Stück brachte kurzzeitig Technofeeling unter die Anwesenden, legte Keyboardtausendsassa Brauer doch einen heftigen Beat aus, auf dem sich alles weitere abspielen sollte. Nicht fehlen durfte auch das große „Black Summer“ vom 2012er Erfolgsalbum „Piramida“, in dessen Folge das Trio eine Zeit lang die großen Hallen füllte. An einer bloßen Wiederholung waren Efterklang aber nie interessiert, weshalb Clausen und Co in der Folge teils reduzierter und zurückgenommener agierten. Die Herausforderung ist eben ganz offensichtlich reizvoller als ausgetretene Pfade.
„Wir haben ja als klassische Studioband begonnen und konnten mit dem Livespielen nicht viel anfangen“, erinnerte sich Clausen, um schmunzelnd nachzulegen: „Mittlerweile ist es aber ein essenzieller Bestandteil, und ich wage zu behaupten, dass wir ganz gut sind. Wir streben danach, dass es aufregend wird. Ein bisschen Gefahr muss immer dabei sein“, spielte er auf die beinahe obligatorischen Ausflüge ins Publikum an. „Diesen Vibe kannst du nur schwer auf Platte einfangen. Der Raum, all die kleinen Details, der Klang – das ist kaum abzubilden. Es gibt uns aber Sinn. Nichts ist schöner, als die direkte Reaktion des Publikums zu erleben.“
Lange mussten sie in Wien darauf jedenfalls nicht warten, im ausverkauften B72 war die Vorfreude von Anfang an zu spüren. Während Brauer mit seiner beeindruckenden Lockenmähne als musikalischer Taktgeber fungierte, sorgte Stolberg am Bass für den nötigen Groove und eine gewisse Lässigkeit. Und Clausen? Der ist einfach ein ungemein charismatischer Frontmann, der mit wenigen Gesten große Wirkung erzeugt und sein Publikum schon mal neckt. „Man weiß nie genau, ob es ein Song bis nach Wien geschafft hat“, meinte er augenzwinkernd, als die Anhängerschar bei „Hold Me Close When You Can“ zunächst nur zaghaft seiner Gesangsführung folgte. Keine Sorge: Das wurde im Verlauf der Darbietung immer besser.
Wobei der Fokus klar auf dem neuen Material lag, wie dem wunderschönen „Sentiment“, das in dunklen Zeiten die Kraft der Liebe propagiert. „Sie geht weit über Religion, Kulturen oder Grenzen hinaus“, hielt Clausen wenige Stunden zuvor fest. Ohnehin steht das Zwischenmenschliche bei Efterklang stets im Fokus. „Es kann hart sein, wenn sich Leute wie die Äste eines Baumes in verschiedene Richtungen entwickeln. Aber mit Liebe und Respekt für dein Gegenüber schaffst du es, den gemeinsamen Boden nicht aus den Augen zu verlieren. Denn letztlich wächst man gemeinsam.“
Und so war es ein Abend, der eben nur im Kollektiv erlebt wirklich funktionierte. Keine großen Effekte, keine überbordende Lichtshow, einzig und allein die vier Musiker, ihre Songs und ein Publikum, das sich ganz darauf einlassen konnte und wollte. Efterklang lassen ihre Fans ganz nah heran, was ein Geschenk ist. Oder wie es Clausen beschrieb: „Es gibt nicht mehr so viele Rituale in unserer Gesellschaft. Wenn du es schaffst, alle bewusst in den Moment zu bringen, ist das wirklich einzigartig. Kein Abend ist wie der andere.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
(Von Christoph Griessner/APA)
efterklang.net