Anna Netrebko war beim letzten klassischen Konzert des Jahres am Domplatz angesagt, was eine Gruppe aus der Ukraine zu verhindern suchte. Zum Glück ist die geforderte Absage nicht gelungen.
Unter polizeilicher Bewachung strömten die Klassikfans zum Opernkonzert der Primadonna assoluta und erlebten einen außergewöhnlichen Abend, wie er erwartet wurde und in einen Begeisterungstaumel ausartete.
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Ja, es gab eine Zeit, da fiel die russischstämmige Sängerin mit österreichischer Staatsbürgerschaft bei manchem Publikum vielleicht ein wenig in Ungnade.
Aber ihre von technischer Überlegenheit, Sensibilität und Phrasierungsstärke unverwechselbare Stimme überzeugte wie immer.
Die Musik heilt eben alle Wunden, verbindet alle Völker und führte demnach auch diesmal zu einem regelrechten Siegestaumel. Dass der an Berühmtheit unschlagbare Star ihren Auftritt zu einer Glanz und Glorie versprühenden Hommage für ihren verehrten Giacomo Puccini gestaltete, überraschte gar nicht.
Auch nicht, dass einige Namen der Netrebko-Freunde am Programm standen, darunter Exmann Yusif Eyvazov, nach wie vor ein perfektes Liebespaar spielend, was er reichlich mit Charme und stimmlicher Gewalt zu nützen wusste.
Schade, dass der gesuchte Sänger, Vertreter einer artengeschützten Spezies, das bekannt voluminöse Organ nicht immer genug zurücknimmt, um die Tessitur als feines Ausdruckselement in voller Wirkung zum Ausdruck bringen zu können.
Erfreuliche Begegnungen bescherten die beiden Mitwirkenden Daria Rybak, eine Schweizer Sopranistin, und ganz besonders der französische Bariton Jerome Routillier mit weichtimbrierter Stimme und deutlicher Sprache.
Das Symphonieorchester der Volksoper Wien hatte unter dem italienischen Dirigenten Marco Boemi einen für die Oper fühlbar kompetenten Pultbeherrscher. Wunderbare, bei Open Air Aufführungen durchaus nicht selbstverständliche dynamische Anpassung und farbige Klangbäder waren von den zwei Orchesternummern (Intermezzo, Le Villi) kein geringerer Genuss als die Arien und Ensemblebeiträge.
So hätte man für Puccinis Musik mit ihrer sentimentalen Attitüde und der unverzichtbaren Sinnlichkeit keine besseren Verwalter sich wünschen können. Ob viermal aus „Turandot“, ebenso oft aus seiner ersten Oper „Manon Lescaut“, „La Bohème“, „Tosca“ und „Madame Butterfly“, allesamt bekannteste Nummern tragischer Rollen, gesungen von elitären Künstlern, in einen wolkenlosen Nachthimmel mit der romantisch beleuchteten Domfassade zur Seite.
Wenn diese Stimmung nicht eine veronesische Stimmung etwa in Italiens Arena weckte? Man trennte sich schwer, was auch das „Mio babbino caro“ als letzte Zugabe aus Puccinis „Trittico“ nicht leichter machte.
Von Georgina Szeless