Eine Bruckner-Symphonie in der Basilika St. Florian zu erleben, ist immer ein heiliger Akt. Wie es wieder am Sonntag im Konzert-Abo „Pur“ des Bruckner Orchesters die überbuchte Aufführung der siebenten Symphonie bewies, zu der das Volk in Massen pilgerte.
Einstimmen mit Paul Zulehner
Diesmal gab es zum Einstimmen einen meditativen Vorspann unter dem Titel „Spirituelle Miniatur“ von Paul Zulehner, vorgetragen vom Autor auf der Bühne des Orchesterraumes. Der 85-jährige promovierte Philosoph, Theologe und geweihte Priester referierte über das Thema „Sehnsucht ist der Anfang von allem“ in unserer Zeit und berief sich dabei auf zitierte Gedanken berühmter literarischer Größen. Der berührende und tiefgehende Satz seines Vortrags von der jüdisch-deutsch-schwedischen Lyrikerin Nelly Sachs führte Zulehner zu Vertretern atheistischer Glaubensanhänger wie etwa Henri Lefebre, anknüpfend an spirituelle Überlegungen über das Phänomen „Moment“ und endend mit Rainer Maria Rilkes Rat, wie wir die Sehnsucht annehmen sollen. Ein sinnvoller Übergang zu Bruckners Musik als einen „Öffner unter verschlossenem Himmel“, den wieder einmal Markus Poschner dann am Pult mit seiner Interpretation der „Siebenten“ verkörperte.
Vielleicht ist gerade diese Symphonie seine Lieblings- und Glückssymphonie. Mit ihren Assoziationen an die wenn auch nicht spontan eingetretenen Erfolge mithilfe eines Arthur Nikisch und Hermann Levi nach 1883, mit dem Gedenken an Bruckners halbgöttisch verehrten, im selben Jahr verstorbenen Richard Wagner (die erstmals verwendeten Tuben im Quartett klingen davon) oder mit seinem Herzensinstrument der Orgel, deren registerartig wechselnden Klangfarben und Choralzitate in der „Siebenten“ deutlich zu hören sind.
Alle seine Gefühlsmomente
Satz für Satz ließen sich in Bruckners Offenbarung alle seine Gefühlsmomente bei der Entstehung verfolgen und spiegeln seine innere Welt wider. Wenn der lange Kopfsatz mit dem angeblich geträumten Hauptthema seinen kosmischen Raum in aller Stille und aufbäumender Klangwucht ausbreitet, wenn das ungewöhnlich an zweiter Stelle gereihte Adagio den Charakter eines Heldengesangs bis zum befreienden Beckenschlag die Trauer besiegt, der dritte Scherzosatz sein von der Trompete beherrschtes Signal den innigen Streicherfarben im Trio gegenüberstellt, dann steuert Poschner die ekstatische Kraftentladung in der Symphonie hin zu einem hymnischen Finale nach 75 Minuten.
Dreimal hintereinander Spitzenqualität
Nicht ohne die wiederkehrende Naturnähe des ersten Satzes noch dramatischer zum Strahlen zu bringen, sodass sich der Ring in der E-Dur Symphonie Poschners Bekenntnis hymnisartig schließt. Der Jubel ist immer der gleiche. Er setzte nicht sofort ein, aber jedes Mal übertrifft er seine in Florian gewohnte Lautstärke. Diesmal galt er besonders auch dem gesamten Bruckner Orchester, das an drei aufeinander folgenden Tagen für die Konzentration auf Bruckner-Symphonien seine Spitzenqualität aufbrachte.
Von Georgina Szeless