„Ein Glücksfall“: Ein klassischer Woody Allen

Kino: Leichtgängiges Gesellschaftsspiel für Fans des 88-jährigen Filmemachers mit angekratztem Image

Woody Allen zeigt sich auch in „Ein Glücksfall“ wieder fasziniert von Klischees.
Woody Allen zeigt sich auch in „Ein Glücksfall“ wieder fasziniert von Klischees. © 2023 Gravier Productions/Valletoux

„Ein Glücksfall“ wird sich kaum günstig auf das angekratzte Image von Woody Allen auswirken, aber seine französische Krimikomödie über Amour und Bonheur hat mehr Charme als alles, was der 88-Jährige seit langem gemacht hat. Er hat mit dem Film nichts wirklich Neues zu sagen, aber er sagt es jetzt auf Französisch.

In Hollywood haben sich viele von Woody Allen abgewandt, und zwar aufgrund der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, die seine Tochter Dylan Farrow gegen ihren Adoptivvater erhoben hat.

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Aber die Franzosen mögen den Amerikaner und haben ihm Geld gegeben, damit er seine neue Komödie in Paris und auf Französisch drehen konnte — eine Sprache, die der Komödienregisseur gar nicht beherrscht. Er schrieb das Drehbuch ursprünglich auf Englisch.

Dennoch sieht „Ein Glücksfall“ (im Original: „Coup de Chance“) aus wie ein klassischer Film von Woody Allen und klingt auch wie einer. Die Schriftart im Vorspann ist die gleiche wie in allen vorherigen Filmen: weiß auf schwarzem Hintergrund. Feine Jazzklänge sorgen für die Ouvertüre. Es gibt einen liebestollen Romanautor, eine schnüffelnde Hobby-Detektivin, einen Gatsby-Kerl und eine betrügerische Ehepartnerin.

Diese bekannten Figuren und Elemente kennen wir aus Allens Oeuvre: aus seiner 1989er Tragikomödie „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ und aus seiner New Yorker Intellektuellen-Komödie „Manhattan Murder Mystery“ (1993), aber sein neuer Krimi erinnert vor allem an jenen Film, mit dem der Regisseur im Jahr 2009 in den Augen vieler Fans zu alter Größe zurückkehrte: „Match Point“. Die Themen sind alle hier: Jagd auf Menschen, Bohème und Bourgeoisie, die Widersprüchlichkeiten des Glücks.

Passenderweise beginnt alles mit einem Zufall. Der aufstrebende Schriftsteller Alain (Niels Schneider) schlendert eines glücklichen Herbstmorgens durch ein Pariser Viertel und begegnet seiner alten Jugendliebe Fanny (eine sehr charmante Lou de Laâge).

Aber die schöne Fanny ist mit dem schlitzohrigen Geschäftsmann Jean (Melvil Poupaud hat viel Freude an der Schurkerei) verheiratet. Sie liebt ihn und genießt ihr Luxusleben, aber sie ist auch gelangweilt von den Jagdwochenenden und der Pariser Hautevolee. Wenn ihr der verträumte Alain also aus seinem ersten Roman vorliest, verliebt sie sich in ihn. Es folgen verkitschte Spaziergänge an romantischen Schauplätzen, gefilmt vom legendären Kameramann Vittorio Storaro, der einst auch die Filme von Bernardo Bertolucci und Francis Ford Coppola zum Strahlen brachte. Und weil Woody Allen schon immer von Klischees fasziniert war, essen die Franzosen in diesem Film natürlich Froschschenkel und Gänseleberpastete in intimen Bistros.

Das Glück ist jedoch zwangsläufig nicht auf der Seite der Frischverliebten. Jean setzt einen Privatdetektiv auf seine Frau an und die drei geraten in eine unheilvolle Ménage-à-trois. Da taucht Jeans Schwiegermutter auf (vielleicht am ehesten das schrullige Alter Ego des Regisseurs: Valérie Lemercier) und beginnt, zu viele Fragen zu stellen.

Mehr zu verraten, würde das spritzige Gesellschaftsspiel verderben. Vielleicht kann man diesem „alten Hund“ keine neuen Tricks mehr beibringen, aber es ist sicher der beste Film, den der Oscarpreisträger in letzter Zeit herausgebracht hat.

Es ist nicht die große Renaissance des Woody Allen, aber sein „Glücksfall“ hat nette Bonmots, die richtigen Schauspieler und ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit am Ende. Ob er jemals noch einen Film drehen wird, ist derzeit noch unklar. Er hat in einem Interview angedeutet, dass er womöglich diesen Sommer in Italien drehen wird, wenn er denn die Finanzierung dafür bekommt. Und sollte es doch sein letzter sein, so wäre es auch kein Malheur.

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