Eine Tragödie der „süßen Mädln“

Salzkammergut Festwochen: Premiere von Schnitzlers „Liebelei“ in Gmunden

„Die Weiber haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm“ — ein Kernsatz aus Arthur Schnitzlers Stück „Liebelei“, der in seiner frauenverachtenden Sinnwidrigkeit auch 130 Jahre nach dem Entstehen des Werkes noch Gültigkeit hat.

Im Rahmen der Salzkammergut Festwochen hatte „Liebelei“ am Donnerstag Premiere im Stadttheater Gmunden. Eineinhalb Stunden schonungsloses Aufzeigen der Einstellung von Männern um 1900, die man heute „Machos“ nennen würde.

Die junge Regisseurin Anna Stiepani widersteht von Anfang an der Versuchung, Schnitzlers Psychodrama krampfhaft zu „aktualisieren“ oder mit feministischen Verbal-Accessoires zu zeigen, was sich angeblich geändert hat. Schnitzlers Text funktioniert auch so.

Da ist der junge, wohlhabende Offizier Fritz, der eine brisante, ja sowohl gesellschaftlich als auch im wörtlichen Sinn gefährliche Affäre mit einer verheirateten Frau hat. Sein Freund Theodor lädt zwei „süße Mädeln“ ein zur Tarnung der Affäre, aber auch zum männlichen Zeitvertreib, zur „Liebelei“ fernab von Verpflichtung und Bindung. Mizi, eine der beiden jungen Frauen, macht das Spiel mit, nur die andere – Christine – verliebt sich in Fritz.

Mit echten Gefühlen, Liebe statt Liebelei – das passt freilich nicht in diese oberflächliche gesellschaftliche Konzeption, in die Seitenblicke-Society, würde man heute sagen. Die Affäre fliegt auf, der Ehemann fordert Fritz zum Pistolen-Duell, wie es die „Ehre“ in diesen Kreisen verlangt. Dieses Duell überlebt Fritz nicht. Nun bricht für Christine eine Welt zusammen: Ihr Geliebter hat ihr die Affäre nicht nur verschwiegen, er ist dafür auch gestorben. Sie selbst, Christine, war nur eine Figur in dem Spiel der Liebeleien.

Schnörkellos und eindringlich

Die Inszenierung in Gmunden ist klar, weitgehend schnörkellos und eindringlich wird das Frauen- und auch das Männerbild um 1900 herausgearbeitet. Das Outfit, vor allem der „süßen Mädeln“, ist authentisch für die Zeit der Jahrhundertwende. Die Bühne kommt mit einigen typischen Elementen aus, etwa einem großen Luster, passend in die Wohnung gehobener Kreise. (Bühnenbild und Kostüme Thurid Peine, Musik Joachim Werner, Dramaturgie Andreas Erdmann).

Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die gerade nicht agieren, sitzen gewissermaßen als ständig präsente „Gesellschaft“ im Hintergrund, schemenhaft erkennbar hinter einem Vorhang im Jugendstil. Dass die Akteure sich dort auch umziehen, das ist ein Blick hinter die Kulissen, den man als Zuschauer nicht unbedingt brauchen würde.

Das Ensemble in Gmunden besteht aus Schauspielerinnen und Schauspielern des Linzer Landestheaters. Das hat seinen guten Grund: die Koproduktion mit dem Landestheater steht ab Oktober in Linz auf dem Spielplan. Lorena Emmi Mayer ist eine glaubhafte „Christine“, sowohl in ihrer Liebe als auch in ihrer abgrundtiefen Enttäuschung. Cecilia Perez ergänzt als „Mizi“ das Mädls-Duo mit ihrer ein wenig naiven Art, das Spiel der Männer mitzumachen. Gunda Schanderer ist als „tratschende“ und intrigante Nachbarin überzeugend.

Die Männerriege ist getragen von Alexander Julian Meile in der Rolle des „Fritz“ als Spieler mit Gefühlen anderer, dabei aber selbst unsicher, voller Ängste und letztlich dem Tod ins Auge blickend. Jakob Kajetan Hofbauer ist ein treffend charakterisierter „Freund Theodor“, der penibel darauf aus ist, die Männerwelt in seinem Sinn zu erhalten – bis er am Grab von Fritz steht. Samuel Finzi als Vater von Christine passt in seinem vergeblichen Bemühen, der Tochter zu helfen, kongenial in das Geschehen. Genau wie Markus Ransmayr, der als wortkarger und fast unheimlicher „Herr“ auftritt, Fritz dessen Liebebriefe unter die Nase hält und damit die Weichen für das tödliche Duell stellt.

Von Werner Rohrhofer

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