Im Auftrag von Maria Theresia vor 250 Jahren gegründet, war sie lange Zeit als Studienbibliothek in den Köpfen verankert. 1999 wurde sie vom Land übernommen und als OÖ Landesbibliothek zu einem Haus für alle. Seit 2016 leitet Renate Plöchl als Direktorin die moderne Bücher- und Mediensammlung und macht sie zukunftsfit.
VOLKSBLATT: Wie feiert die OÖ Landesbibliothek ihren runden Geburtstag?
RENATE PLÖCHL: Wir veranstalten ein Fest unter dem Motto „Wir jubilieren“ und gönnen uns das L´Orfeo Barockorchester. Bis Mai 2025 gibt es dann für alle Zielgruppen Programm: für Kinder, junge Leute, für die, die sich für Buchschätze interessieren … Und wir gestalten mit dem Landesarchiv ein Buch über die Geschichte der Landesbibliothek mit tollen historischen Aufnahmen.
Wie lassen sich Größe und Bestand einordnen?
Wir zählen zu den größeren Bibliotheken in Österreich und gehören dem Bibliothekenverbund an. In Oberösterreich bilden wir mit dem Stifterhaus, dem Landesarchiv und der Landes-Kultur GmbH auch noch einen kleineren Verbund. Der Bestand der Landesbibliothek liegt etwa bei 650.000 Medien, unser digitaler Bestand ist mit rund 26.000 noch sehr klein. In der digitalen Bibliothek sind urheberrechtsfreie Sachen, die wir selbst digitalisieren, wie Handschriften, die Inkunabeln, also die alten Schätze, aber auch ganz viel, was oö. Geschichte betrifft. Wenn es etwas österreichweit nur bei uns gibt, wird es digitalisiert. E-Ressourcen kaufen wir als E-Book oder Lizenzen.
Welche Entwicklungen gab es, seit Sie Direktorin sind?
Vor meinem Einsatz wurde umgebaut und das hat sich als Glücksfall erwiesen. Das Gebäude ist schön und wir kommen gut zurecht damit. Christian Enichlmayr, mein Vorgänger, hat aus der verstaubten Zettelkasten- und Magazinbibliothek eine moderne Bibliothek gemacht. Mein Auftrag war, das Haus zu öffnen und serviceorientierter zu machen. und das ist uns wirklich gelungen. Das sieht man an den Publikumszahlen, am Anteil junger Leute. Und es galt, unser Veranstaltungsprofil zu schärfen, jede Veranstaltung hat auch etwas mit uns zu tun. Mit einer eigenen Digital Library Teaching-Stelle konnten wir an Informationskompetenz gewinnen.
Wie sieht es mit den Entlehnzahlen aus?
Von 2017 bis 2024 sind in den meisten wissenschaftlichen Bibliotheken die Ausleihen um die Hälfte zurückgegangen, viele fahren daher den Kurs „Digital first“. In manchen Bereichen wird vieles auch gar nicht mehr analog publiziert. Bei uns ist das anders: Wir werden heuer vielleicht 80.000 statt 85.000 Ausleihen haben. Wir haben so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal durch unser breites Portfolio: Es ist nicht nur wissenschaftlich, wir haben auch Belletristik, Reiseführer usw. und merken, dass gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich, den es sonst in Linz nicht gibt, immer noch sehr, sehr gern physische Bücher ausgeborgt werden. Und dann haben wir natürlich auch viele alte Schätze zum Forschen. Wir sind auch im Digitalen topfit und wollen keinesfalls als alt rüberkommen. Und wir sind sehr serviceorientiert, unsere Mitarbeiter zeigen Besuchern, wie man mit Datenbanken, E-Ressourcen und anderen Quellen umgeht.
Wie wird der Bestand erweitert?
Wir haben Bibliothekare, die auf bestimmte Bereiche spezialisiert sind und unserem Profil entsprechend agieren. Wir sind stark in der Krankenpflege, in der Geisteswissenschaft, nicht so stark im medizinischen Fachbuch, dafür gibt es das Keplerklinikum. Wir haben ein hochmodernes Bibliothekssystem, das viel Auswertung in Sachen Nutzung zulässt. Das zeigt auch das Kuriosum, dass DVDs bei uns noch gut ausgeborgt werden. Zu Oberösterreich haben wir alles und sind Archivbibliothek: Werke, die in OÖ erscheinen, müssen auch bei uns abgeliefert werden und wir müssen das auch bewahren.
Wer kommt in die Landesbibliothek und was sind Stärken des Hauses?
Über 80 Prozent unserer Besucher sind Schüler und Studierende. Manche — ältere Zeitungsleser, aber auch Studenten — warten in der Früh schon aufs Aufsperren. Wir verfügen über 60 Plätze und können auch noch erweitern. Dank unserer Ausstattung an Personal – 35 Mitarbeiter — und Ressourcen können wir zielgruppenspezifische Programme anbieten. Unsere Bibliothekare sind regelmäßig am Schalter und sehen so, was es braucht, ein moderner Ansatz, der bei uns immer schon so gelebt wurde. Unsere Fachinfo hilft beim Recherchieren. Wenn die Schüler das alles sehen, die Arbeitsplätze, Gruppenräume, die man kostenlos online buchen kann, die Location spüren, dann kommen viele wieder. Mittlerweile ist ja neben dem Buch und anderen Medien auch unser Raum ein Produkt. Da wollen wir dranbleiben, auch wenn die Schüler keine Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) mehr schreiben müssen.
Würden Sie Schülern raten, weiterhin eine VWA zu schreiben?
Ich sehe ganz viele positive Aspekte an der VWA, unter anderem, zu lernen, wie man seriöse Quellen findet. Wichtig wäre die Auseinandersetzung damit, wie man eine VWA, aber auch andere wissenschaftliche Arbeiten, sinnvoll mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT gestalten kann. Das wird woanders bereits ganz selbstverständlich umgesetzt. Das wird die Landesbibliothek künftig auch anbieten. Und je mehr Aufgaben die KI übernimmt, umso mehr Service werden wir anbieten können. Wir müssen da top dabei sein, sonst verlieren wir auch unsere Kompetenz als Bildungs- und Informationskompetenzstelle.
Welche Aufgaben hat nun eine Bibliothek künftig?
Von der Handschrift bis zur Datenbank ergibt sich für uns eine große Herausforderung: Wir müssen Kulturgut schützen. Aber wir müssen auch wissen, wie sich die digitale Welt entwickelt. Wir zeigen jungen Leuten auch, wie sie seriöse Quellen erkennen, wie einfach, smart und sympathisch wir das hier gestalten können, sodass sie Lust bekommen, bei uns zu suchen. Bildung ist die einzige Chance. Und da haben wir einen unglaublich großen, wichtigen Auftrag. Schüler sind uns dabei am wichtigsten. Junge Leute müssen merken, es gibt neben einer Google-Suchleiste noch etwas anderes.
Interview: Melanie Wagenhofer