Ex-Talkmaster Hermes Phettberg mit 72 Jahren verstorben

Hermes Phettberg wurde durch seine „Nette Leit Show“ bekannt © APA/ROBERT JAEGER

Der ehemalige ORF-Talkmaster, Kolumnist und Künstler Hermes Phettberg ist tot. Er verstarb am Mittwoch im Alter von 72 Jahren, wie der APA aus dem privaten Umfeld des Künstlers bestätigt wurde. Zunächst hatte Phettbergs Wegbegleiter Hannes Moser das Ableben seines Freundes via Facebook öffentlich gemacht. Große Bekanntheit erlangte Phettberg in den 1990ern mit seiner „Nette Leit Show“, zuletzt erschienen seine Texte etwa in der Wiener Stadtzeitung „Falter“.

Phettberg, der mit bürgerlichem Namen Josef Fenz hieß, wurde am 5. Oktober 1952 in Hollabrunn geboren. Der Sohn von Weinbauern arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien wurde. Mitte der 80er-Jahre war er Mitbegründer des Vereins „Libertine Sadomasochismusinitiative Wien“ und des Projekts „Polymorph Perverse Klinik Wien“. Öffentlich bekannt wurde er mit sadomasochistischen Kunstaktionen (wie seinen „Verfügungspermanenzen“) gemeinsam mit Walter Reichl im Rahmen von „ErotiKreativ“ im WUK.

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In der Theatergruppe „Sparverein Die Unz-Ertrennlichen“ rund um Kurt Palm spielte er ab Anfang der 90er-Jahre verschiedene Rollen, seit 1992 schrieb Phettberg seine wöchentliche „Falter“-Kolumne. Eine Sammlung der „Falter“-Kolumnen erschien als Faksimile der Typoskripte unter dem Titel „Hundert Hennen. Katechesen 1992 – 2003“. Ab Ende 1994 begrüßte er schließlich in „Phettbergs Nette Leit Show“ verschiedene Prominente, darunter etwa Marcel Prawy, Hermann Nitsch, Manfred Deix oder Josef Hader. Mit dem TV-Format etablierte sich Phettberg österreichweit als Kultfigur. Gemeinsam mit Kurt Palm gab er 1996 das Buch „Frucade oder Eierlikör“ mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung „Beichtphater Phettberg“ aus.

Phettberg erhielt 1993 den Franz-Grillparzer-Preis der „Anonymen Aktionisten“ und 2002 den Preis der Stadt Wien für Publizistik. Der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) nannte Phettberg einen „radikalen und subjektiven Beobachter des Wiener Alltagslebens“, mit seiner „Nette Leit Show“ habe er Kulturgeschichte geschrieben. 2007 widmete ihm sein alter Freund und Entdecker Kurt Palm den Dokumentarfilm „Hermes Phettberg, Elender“, in dem die beiden das Leben der einstigen bunten Wiener Szenefigur im Zwiegespräch Revue passieren lassen.

Mit „Garten der Lüste“, einer öffentlichen Fesselungsaktion im Rahmen der „Wienwoche“ sorgte er 2012 für Aufregung, im selben Jahr erschien im Sensationsverlag das Künstlerbuch „Alles Erschreckliche! Ausgewählte Texte“. Als im Sommer 2013 die mit dem Max-Ophüls-Preis 2012 ausgezeichnete Schwarz-Weiß-Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“ von Sobo Swobodnik über Phettbergs Alltag im Wiener Stadtkino an 28 Abenden gezeigt wurde, wohnte der Protagonist trotz Gehbehinderung jeder einzelnen Vorführung bei. Aus den Einträgen in sein „Gestionsprotokoll“ jener Zeit machte Walter Fröhlich eine Graphic Novel: 2015 erschien „Blue Jeans. Der Phettberg-Comic“ abseits des Buchmarktes, finanziert durch eine Crowdfundingaktion. Ebenfalls 2015 spielte Phettberg in dem Spielfilm „A Perception“ des deutschen Regisseurs Daniel Pfander mit.

Nach mehreren Schlaganfällen lebte Phettberg, der sich selbst als „Elender“ bezeichnete, zurückgezogen. Auch im Alltag brauchte er Hilfe, aufgrund der Beeinträchtigung von Feinmotorik und Sprachvermögen selbst beim Schreiben. In den vergangenen Jahren war er dennoch popkulturell durchaus präsent, wurde Phettberg doch von jungen Musikacts wie Drangsal, Fäulnis oder Nancy Transit für Musikvideos engagiert. „Junge Bands scheinen mich zu mögen“, wunderte er sich zu dieser Zeit.

Am Mittwoch verabschiedete sich auch Kulturminister Werner Kogler (Grüne) via „X“ von der markanten Stimme der Subkultur: „Radikal und rücksichtslos, mit seinem Körper und seinem gesamten Leben, leidend und verzweifelnd und dennoch voller Humor und mit der unbezwingbaren Neugier eines Kindes hat er die dunklen Seiten unseres Landes zum Schwingen gebracht. Ruhe in Frieden, Hermes Phettberg.“