Seine Kinder nannten ihn den „Zauberer“, seine Leser verehrten ihn als „Magier des Wortes“. Mit Romanen wie „Buddenbrooks“, „Der Zauberberg“ oder „Doktor Faustus“ schuf Thomas Mann Weltliteratur und wurde zum wohl größten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Im nächsten Jahr würde der „bürgerliche Dichterfürst“, wie ihn Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte, 150 Jahre alt. Das wird 2025 weltweit groß gefeiert.
1929 erhielt Mann den Literaturnobelpreis, knapp vier Jahre später musste er vor den Nazis fliehen. Im amerikanischen Exil wurde der Weltbürger mit seinen Radiosendungen an die Hörer in Deutschland zum Gegenspieler Adolf Hitlers.
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Der 150. Geburtstag wird nicht nur in Manns Geburtsstadt Lübeck gefeiert, sondern auch an seinen Lebensstationen München, Zürich und Los Angeles – und in seiner Sommerfrische Nida in Litauen. Der Fischer Verlag bringt unter anderem die wichtigsten Werke Thomas Manns als Taschenbuchausgabe in neuer Gestaltung und mit Nachworten renommierter Autoren neu heraus. Diverse Neuerscheinungen widmen sich dem Leben und Werk des Großschriftstellers.
Festakt in Lübeck
Thomas Mann kam am 6. Juni 1875 als Sohn eines Lübecker Senators zur Welt. Bald nach dem Tod des Vaters 1891 zog die Familie nach München, doch blieb Thomas Mann seiner Geburtsstadt ein Leben lang verbunden und hat in seinen Romanen immer wieder Lübecker Motive verarbeitet.
Am 6. Juni 2025 wird der 150. Geburtstag mit einem Festakt in der Hansestadt groß gefeiert. Am Tag darauf eröffnet das Buddenbrookhaus die Ausstellung „Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie“. Das heutige Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum war das Wohnhaus der Großeltern des Autors und spielt in der Familiensaga „Buddenbrooks“ eine zentrale Rolle. Das Gebäude mit der spätbarocken Fassade ist allerdings wegen Umbaus bis voraussichtlich 2028 geschlossen, und so wurde die Ausstellung über Mann als politisch engagierter Autor ins St. Annen-Museum im Süden der Altstadt verlegt.
Internationales Thomas-Mann-Festival
Fünf Wochen nach dem Geburtstagsfest beginnt rund 700 Kilometer östlich von Lübeck am 12. Juli ein internationales Thomas-Mann-Festival. Schauplatz ist das Kulturzentrum im restaurierten Sommerhaus Thomas Manns auf der Kurischen Nehrung in Nida (Nidden) in Litauen. Auf der schmalen Landzunge zwischen Ostsee und Haff, in einer Dünenlandschaft, die man die „Sahara des Nordens“ nannte, hatte der frisch gekürte Nobelpreisträger 1929 das Holzhaus von einem Teil seines Preisgeldes bauen lassen. Von seinem Arbeitszimmer im ersten Stock hatte er einen prächtigen Blick ins tiefe Blau des Haffs – dies allerdings nur drei Sommer lang. Denn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war der Weg dorthin versperrt.
Bis dahin hatte Thomas Mann seinen Hauptwohnsitz in München. In der bayerischen Hauptstadt lebte er fast 40 Jahre lang, dort lernte er seine Ehefrau Katia Pringsheim (1883-1980) kennen, und dort kamen seine sechs Kinder zur Welt: Erika und Klaus (1905/06), Golo und Monika (1909/10), Elisabeth und Michael (1918/19). Auch in München stehen 2025 diverse Veranstaltungen an, darunter die Buchpremiere von „Liebes Fräulein Herz“ mit Herausgeber Holger Pils im Literaturhaus am 16. Mai. Es handelt sich um den bisher unveröffentlichten Briefwechsel Manns mit der Buchhändlerin Ida Herz.
„Das Weiße Haus des Exils“
Die herrschaftliche Thomas-Mann-Villa, die der Schriftsteller 1914 mit seiner Familie im Stadtteil Bogenhausen bezog und bei seiner Flucht 1933 zurücklassen musste, steht heute nicht mehr. Das Haus in der Poschinger Straße 1 wurde im Krieg zerstört. An derselben Stelle – nun Thomas-Mann-Allee 10 – steht ein Nachbau, der ausschließlich als Privathaus dient.
Dagegen ist das Thomas Mann House in Pacific Palisades eine transatlantische Begegnungsstätte, die jährlich Stipendiaten beherbergt. Neun Zeitzonen von Lübeck und München entfernt, im immer sonnigen Süden Kaliforniens, steht die weiße Villa zwischen Palmen am Stadtrand von Los Angeles, wenige Kilometer von den Stränden Santa Monicas. Hier verbrachte der Nobelpreisträger zehn Jahre seines Lebens. „Das Weiße Haus des Exils“ hat es sein Enkel Frido 2018 in einem Buch genannt.
Seine Radiosendungen jetzt auch als Buch
Die ersten Jahre des Exils hatte Thomas Mann übrigens in Küssnacht bei Zürich gelebt. 1938 siedelte er in die USA über, hatte dort eine Gastprofessur an der Universität Princeton (New Jersey) und zog später an die Westküste. Den Neubau in Pacific Palisades bezog er 1942.
Mit seiner Zeit in Kalifornien verbunden sind Thomas Manns Radiosendungen „Deutsche Hörer!“, die er dort aufzeichnete und die die Londoner BBC ins Deutsche Reich ausstrahlte. Am 29. Jänner erscheinen sie bei Fischer in Buchform mit einem Vor- und Nachwort der Autorin Mely Kiyak. In seinen Sendungen ließ Thomas Mann keinen Zweifel an der politischen und moralischen Verantwortung Deutschlands und des deutschen Volkes für die Verbrechen des Nazi-Regimes. Das nahmen ihm viele in der alten Heimat übel, er wurde angefeindet, und als er 1952 nach Europa zurückkehrte, ließ er sich lieber in der Schweiz nieder. Er lebte zuletzt in Kilchberg am Zürichsee und starb am 12. August 1955 im Kantonsspital Zürich.
Leidenschaftliches Eintreten für Demokratie wieder relevant
Mit der Rolle von „Thomas Mann als politischer Aktivist“ befasst sich der Literaturwissenschafter Kai Sina in einem Buch, das Ende November bei Propyläen erschien. Sina schreibt zudem das Nachwort zur Neuauflage des „Zauberbergs“. Die zeitlose Bedeutung Thomas Manns als politischer Denker betont auch das Buddenbrookhaus. „Manns leidenschaftliches Eintreten für Demokratie und seine Warnungen vor antidemokratischen und totalitären Gefahren gewinnen heute wieder an Relevanz“, erklärte dessen Leiterin Caren Heuer bei der Vorstellung der Initiative „Mann 2025“.
Zu den angekündigten Neuerscheinungen im Fischer Verlag zählt auch „Zeit der Magier“, eine Doppelbiografie der Brüder Heinrich und Thomas Mann von Hans Wißkirchen, Präsident der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft. Multitalent Ulrich Tukur – Schauspieler, Musiker und Schriftsteller – veröffentlicht im Mai die Anthologie „Mit Thomas Mann am Meer“, eine Auswahl der schönsten Texte Manns zum Meer.
„Mit Thomas Mann durch das Jahr“ kann man mit Felix Lindner spazieren. Der Germanist ist ein profunder Kenner der Tagebücher Thomas Manns. In seinem Ende November erschienenen Büchlein hat er für jeden Tag des Jahres einen Satz daraus ausgewählt. Thomas Mann hatte die Tagebücher als „ohne jeden literarischen Wert“ bezeichnet, und sie durften erst 20 Jahre nach seinem Tod erscheinen. Hier zeigt sich der Ausnahmeautor von seiner menschlichen Seite. „Müde beim Arbeiten“, steht da zum Beispiel am 3. Jänner.