Am 11. April vor exakt zehn Jahren wurde das Linzer Musiktheater am Linzer Volksgarten nach einer turbulenten Entstehungsgeschichte eröffnet. Landeshauptmann Thomas Stelzer über Höhepunkte der vergangenen Jahre, persönliche Vorlieben und die künftige Preispolitik am Theater.
VOLKSBLATT: Betrachtet man die turbulente Entstehungsgeschichte des Musiktheaters: War es richtig, das Haus am heutigen Platz zu bauen oder wäre das Theater im Berg besser gewesen?
THOMAS STELZER: Es ist auf jeden Fall wichtig, dass wir ein Musiktheater haben. Ich rede nicht über vergossene Milch. Es ist ein attraktiver Bau, auch an einer markanten Stelle der Landeshauptstadt, prägt es das Gesicht der Landeshauptstadt. Aber das Allererfreulichste und Allerwesentlichste ist, dass es vom Publikum sehr gut angenommen wird. Das belegt auch, wie wichtig es ist, dass es dieses Haus und vor allem das tolle Team dort gibt.
Wie sind Sie mit der Entwicklung in den letzten zehn Jahren zufrieden?
Sehr, weil der Zustrom ungebrochen ist und vor allem, weil die Mischung, die ja durchaus anspruchsvoll ist — Oper, Operette, Musical —, einfach stimmt. Wir sprechen damit ein sehr breites Publikum an. Manche interessieren sich dadurch vielleicht auch für ein Genre, für das sie sich ursprünglich nicht interessiert hätten. Und wir sehen auch, dass Besucherinnen und Besucher extra nach Oberösterreich und Linz kommen, um das Angebot des Musiktheaters zu konsumieren.
Wie oft sind Sie selbst als Besucher im Musiktheater anzutreffen?
Leider viel zu wenig, aber schon immer wieder. Hin und wieder habe ich auch das Privileg, bei einer Probe mit dabei sein zu dürfen. Die Atmosphäre des Hauses ist sehr gelungen. Wenn man reingeht, spürt man das schon. Aber geprägt und getragen wird es natürlich von den Menschen, unseren Künstlerinnen und Künstlern und von den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Man darf ja nicht vergessen, das ist ja auch ein Riesenbetrieb, was Technik, Verwaltung und Marketing usw. anbelangt.
Was hat Ihnen bisher am besten gefallen bzw. ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Natürlich gleich der Beginn, die ersten Aufführungen, darunter die Uraufführung des anspruchsvollen Werkes „Spuren der Verirrten“ von Philip Glass oder die ersten Musicals. Aber es wäre unfair, etwas herauszuheben, weil jede Saison aus meiner Sicht sehr spannend und bemerkenswert gestaltet wurde und weil wir einfach auch die Qualitäten, die unser Orchester, unsere Künstlerinnen und Künstler haben, voll zur Geltung bringen können. Das ist wirklich das Schöne daran.
Was sind Ihre Vorlieben?
Das ändert sich je nach Stimmungslage und Bedarf. Natürlich freut es mich wahnsinnig, dass es gelungen ist, auch die Musicalsparte so toll zu entwickeln, dass sie international strahlt. Und dass es gelingt, eine gute Mischung aus Uraufführungen, die es immer wieder gibt — das ist ja der Anspruch unserer Institution —, und den Klassikern zu haben. Natürlich auch, dass das Publikum bereit ist, das anzunehmen. Nächstes Jahr stehen wir mit Bad Ischl, quasi der Operettenhauptstadt, ja in der europäischen Auslage. Es freut mich, dass es auch gelungen ist, die Operette als sehr anspruchsvolle Form der guten Unterhaltung — das ist ja oft das Schwierigste —, gut zu positionieren. Worauf ich besonders stolz bin, ist die funktionierende Zusammenarbeit unserer Institutionen, etwa beim Opernstudio, für das sich Bruckner-Uni, Musiktheater und Bruckner Orchester zusammentun. Damit wird die universitäre Ausbildung mit der unmittelbaren Praxis verknüpft. Da haben beide Seiten sehr viel davon.
Wie haben Sie den Intendanten-Wechsel von Rainer Mennicken zu Hermann Schneider empfunden?
Ein Wechsel des Intendanten ist natürlich immer eine Herausforderung. Rainer Mennicken hat den Bau, das Werden des Hauses und auch die schwierige Bauphase gut begleitet und den Start international sehr respektabel hingelegt. Auch dem — damals neuen — Intendanten Schneider ist es gut gelungen, auf seine Art und Weise dem Haus seine Prägung mitzugeben. Und wie man sieht, ist das sehr erfolgreich. Die Nachfrage ist da. Für die gesamte Führung, das „Dreigestirn“ Schneider, Poschner und Königstorfer, gilt: Wir haben jetzt schwierige Jahre hinter uns, die Corona-Zeit mit allen Auf und Abs, schließen, wieder aufsperren, wieder schließen und das gesamte Team hat das wirklich gut hinbekommen und wir sind, Gott sei Dank, wieder sehr erfolgreich aus dieser Zeit herausgestartet.
Es hat ja schon einige Preise für das Musiktheater gegeben, nicht zuletzt für die Musical-Sparte. Wie wichtig ist die internationale Strahlkraft des Hauses?
Das ist in der Kunst immer wichtig, weil Kunst vom Anspruch her immer international ist. Und Oberösterreich ist ein internationaler Standort, wir wollen und müssen über die Grenzen hinaus auffallen und das gilt natürlich auch für unsere Kultur. Die Qualität des Ensembles oder des Orchesters hat das sowieso immer hergegeben, aber jetzt gibt es auch den entsprechenden Rahmen zum Glänzen und Auffallen. Wir fallen mit der Kultur in Oberösterreich, insbesondere auch mit dem Landestheater, international durchaus auf und freuen uns, dass das auch mit Preisen gewürdigt wird und auch mit Kooperationen, die es ja immer wieder gibt.
Sind Sie mit der aktuellen Auslastung zufrieden?
Nach Corona ist nicht mehr wie vor Corona. Es tun sich alle Kulturhäuser im deutschsprachigen Raum schwerer. Wir haben im Vergleich mit den anderen eine überdurchschnittlich gute Auslastung, aber es ist nicht mehr so wie davor. Es hat jetzt gerade eine Erhebung der TOG (Anm. OÖ Theater und Orchester GmbH) im Publikum gegeben zur Frage: Was hält euch davon ab, zu kommen oder was ist die Konkurrenz? Es hat sich herausgestellt, dass sich das Freizeitverhalten der Leute grundsätzlich verändert hat. Vor Corona hat man sich durchaus lange vorher Karten für eine Aufführung gesichert. Das ist jetzt ganz kurzfristig geworden. Darauf stellen wir uns ein und auch die Preisgestaltung wird flexibler. Je nach Produktion oder Stück wird es unterschiedliche Preise geben, weil sich herausstellt, dass das so mehr nachgefragt wird.
Der Zugang über den Volksgarten ist für die Besucher nicht unproblematisch. Kommt da die Stadt Linz ihren Aufgaben zu wenig nach?
Eine Stadt ist eine Stadt und hat eine vielschichtige Bevölkerung. So schön die Lage am großen Park am Volksgarten ist, so sehr hat das auch manche Begleiterscheinung. Ich glaube aber schon, dass alle bemüht sind, die Stadt, aber auch die Exekutive, dort für ein friedliches Miteinander zu sorgen. Es hat ja sogar in den Anfängen ein Open Air im Volksgarten gegeben. Man hat versucht, das zu nutzen.
Die Beziehung Stadt-Land war nicht immer einfach. Jetzt scheint es mit dem Brucknerjahr 2024 eine Annäherung zu geben. Wie sehen Sie das in Bezug auf das Musiktheater?
Es ist ja bekannt, dass sich die Stadt Linz aus dem Theatervertrag verabschiedet hat. Im Gegensatz zu den Jahrzehnten davor, trägt das Land mittlerweile Landestheater, Musiktheater und Bruckner Orchester alleine. Allerdings haben wir uns auch dahingehend gefunden, dass das Bruckner Orchester, quasi das Stammorchester des Brucknerhauses, das der Stadt Linz gehört, dort auch zu hören ist und eine eigene Konzertreihe spielen kann. Es stimmt, das Brucknerjahr gestalten wir in einem wirklich guten Miteinander. Das ist mir persönlich auch das Wichtigste. Ich schaue nicht zurück, sondern nach vorne: Was können wir jetzt und in den nächsten Jahren miteinander tun.
Kann Linz in der Zwischenzeit mit Wien und Salzburg mithalten? Hat das Musiktheater den entscheidenden Schub gebracht?
Ja. Vor allem ist entscheidend, sich als OÖ und Linz nicht gegen oder neben anderen zu etablieren, sondern eine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln. Das ist, glaube ich, wirklich gut gelungen. Das ist ein Prozess, aber mittlerweile stehen das Landestheater, das Musiktheater, das Schauspielhaus und unser Bruckner Orchester für sich und brauchen sich nicht im Vergleich zu anderen definieren. Das ist das Wichtigste und Entscheidendste, das in den letzten Jahren, wie ich finde, gut gelungen ist.
Mit LANDESHAUPTMANN THOMAS STELZER sprach Melanie Wagenhofer