Franz Lehárs Paganini als zerrissener Hexenmeister

Linzer Musiktheater widmet dem Geigenvirtuosen seine jüngste Operettenpremiere

Matjaž Stopinšek © Barbara Pálffy

Da steht er nun als gebrochener, alter Mann am Bühnenrand und blickt auf seine Karriere als vermeintlicher Teufelsgeiger zurück. Geliebt, verehrt und gehasst zugleich, erinnert sich der todkranke Paganini in Lehárs gleichnamiger Operette an seinen Aufstieg als gefeierter Konzertmeister und Operndirektor im italienischen Lucca, wo er als Liebhaber der Fürstin Maria Anna Elisa schließlich in Ungnade fällt und aus Italien flüchten muss.

Schauspieler Alfred Rauch gibt dem todgeweihten Paganini in einer Sprechrolle eine ausdrucksstarke und bewegende Performance. Geplagt wird der alte Mann dabei von vielen quälenden Stimmen in seinem Kopf, die auf sein kolportiert lasterhaftes Leben hindeuten und von Schauspielkollegen des Linzer Ensembles auf Tonband aus dem Off kommen, darunter von Daniela Dett und Christian Higer.

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Die Legenden über den Teufelsgeiger werden in der Operette, die Regisseur und Lehár-Fachmann Thomas Enzinger eher als Episodenstück angelegt hat, szenisch widerlegt oder auch bestätigt. Mitunter tritt Paganini auch in einen Dialog mit seinem Kind-Ich, rührend gespielt vom jungen Elias Kobyakov. Dabei wird klar, wie sehr der junge Paganini von seinem ehrgeizigen Vater gewaltsam zum Üben gezwungen und gequält wurde, was ihn als gebrochene Persönlichkeit prägte.

Regisseur Enzinger und Choreographin Evamaria Mayer haben als Stilelement in dieser eher düsteren Inszenierung den Zugang gewählt, die Figur des Paganini gleich mehrfach facettenreich zu spiegeln.

So fungieren neben Tenor Matjaz Stopinsek in der Hauptrolle, weiters sechs Ballettmitglieder als innere Dämonen des Musikers. In einer viel umjubelten Soloszene brilliert BOL-Konzertmeister Jacob Meining als Geiger Paganini auf der Bühne. Allesamt sind sie schwarz gekleidet, tragen langes Haar und eine getönte Brille, ganz im Steampunk ähnlichen Stil, der um 1800 schon Paganinis Markenzeichen war.

Die große Drehbühne von Bernd Franke, die mit Neonreklame sowie imposanten Gebäudefragmenten Malereien von Ludwig Philipp Stark im deutschen Schloss Oldenburg zitiert, tut das Übrige für ein musikalisches Stück, das kein Happy End kennt.

Diese szenische Klammer funktioniert recht gut für Lehárs „Paganini“, ein Werk, das den Beginn seiner letzten Schaffensphase markiert, in der er mehr ins Ernsthafte strebte und die großen Hauptrollen für Startenor Richard Tauber komponierte.

Tenor Matjaz Stopinsek muss als Paganini in der Titelrolle in große Fußstapfen treten, meistert darstellerisch und gesanglich seinen Part aber mehr als zufriedenstellend. Stimmlich von zurückhaltender, feiner Differenzierung, was bei der berühmten Arie „Gern hab ich die Frauen geküsst“ mit dieser Interpretation jeglichen kritischen metoo-Einwänden den Wind aus den Segeln nimmt, bis hin zum schmelzenden Fortissimo.

Ihm zur Seite steht mit viel Ausstrahlung Carina Tybjerg Madsen als Fürstin Maria Anna Elise, die mit ihrem kontrolliert samtig und strahlenden Sopran etwa im Duett „Niemand liebt dich so wie ich“ oder in der Arie „Liebe, du Himmel auf Erden“ das Publikum ausdrucksstark erfreut. Chorsolist Ulf Bunde gibt neben den beiden als Gemahl einen trefflich gestalteten und zwiespältig angelegten Fürsten Bacchiocchi ab.

Als vorzüglich singendes Buffopaar Bella und Pimpinelli, hinreißend komisch und mit ganzem Körpereinsatz dargestellt, erheben sich Tina Josephine Jaeger und Jonathan Hartzendorf beim Duett „Einmal möcht‘ ich was Närrisches tun“ sogar weit hinauf in die schwindelerregenden Höhen des Bühnenraums.

Nach zweieinhalb Stunden musikalisch sehr guter bis perfekter Darbietung vor allem des Brucknerorchesters unter der Leitung von Marc Reibel dann kräftiger, aber nicht unbedingt begeisterter Applaus für eine Linzer Paganini-Inszenierung, die sehenswert ausgestattet und szenisch eine durchaus zeitgemäße Bearbeitung bietet.

Von Barbara Duftschmid