Malala mag Justin Bieber und Vampirfilme. Das Mädchen lebt in Swat-Tal in Pakistan, wächst behütet und fröhlich auf. Der Vater ist Schuldirektor, die Mutter kann wie 50 Prozent der pakistanischen Bevölkerung nicht lesen, schreiben, rechnen. Die dauernde Hilflosigkeit der Mutter spornt Malala an. Das Kind verschlingt Bücher, will lernen.
Am 9. Oktober 2012 fährt die 15-jährige Malala zur Schule, zwei bewaffnete Taliban halten den Schulbus an. Sie steigen in den Bus, einer fragt laut: „Wer ist Malala?“ Mit einem Colt 45 zielt er auf ihr Gesicht, Schüsse in den Kopf und in den Hals. Malala überlebt. Und kämpft weiter, alle Mädchen auf der Welt sollen die Möglichkeit zum Schulbesuch haben. 2014 erhält Malala als bislang jüngster Mensch den Friedensnobelpreis.
Eine Elfjährige protestiert
Die Tribüne Linz zeigt „Malala“ des österreichischen Autors Flo Staffelmayr, Premiere war am Donnerstag. Der Untertitel nicht zeitgemäß sexy, „Theaterstück für das Recht auf Bildung und gegen Extremismus“, doch mit wie viel Leben erfüllt die Tribüne diese Wörter! Unmittelbares, angreifbares Theater für Leute ab 10, das den Menschen Malala konkret erfahrbar macht. Theater mit einfachsten Mitteln (und ein bisschen ausgeklügelter Technik), Videoeinspielungen und Pantomime, Action auf der Bühne, Sprechtheater und knackige Musik.
Eine entfesselte, in ihrer Begeisterung berührende Lisa Kröll reißt als Malala das Stück rasch an sich. Von der kindlichen Freude des Mädchens bis zum selbstbewussten Auftreten vor der UNO, wo Malala am 12. Juli 2013, ihrem 16. Geburtstag, eine Rede hielt. Dazwischen Malala, die bereits als Elfjährige in einem Internet-Blog von den Schrecknissen der Taliban im Swat-Tal berichtete. Horden ungebildeter Männer, die Schulen niederbrannten, Terror auf der Straße verbreiteten, sich in ihrem Hass auf Frauen auf den Koran beriefen, den sie gar nicht lesen konnten. Im Koran, klärt Malala auf, steht auch diese Aufmunterung an alle: Lies!
Ein aufrichtiges Spiel
Manche Experten – bei der Premiere Schüler des Poly Grieskirchen und der Linzer Hamerlingschule – zeigen sich zunächst irritiert vom Minimalismus der Tribüne. Nervöses Gelächter, wenn Malala genüsslich Feigen schlürft und keine Feige da ist, oder sich bei einer Schneeballschlacht austobt – ohne Schneebälle. Theater geschieht im Kopf, liefert keine glatten Fertigprodukte wie digitale Medien. Die Tribüne zeigt die Gemachtheit des Theaters, das Publikum sieht den Schauspielern auch beim Umziehen zu. Theater ist bloß Spiel, aber ein aufrichtiges Spiel!
Rudi Müllehner, der wunderbare alte „Theaterhase“ der Tribüne, umschwirrt Malala in mehreren Rollen als Busfahrer, Malalas Bruder oder Tuchhändler. Auch als grimmiger Taliban, der mit seiner Schusswaffe das Publikum anvisiert. Zu drastisch? Mitnichten! So sieht das eben aus, wenn Fanatiker mit ihrer „Wahrheit“ beglücken. Mit einer Macho-Ideologie, die sich Religion nennt, deren Kern der Hass auf Frauen, auf alles als „weich“ Verdächtigte ist.
Bildung, Bildung!
Die Geschichte von Malala Yousafzai macht Mut und rührt an entscheidenden Themen. Männliche, pathologische „Härte“ eine Geißel nicht bloß in Pakistan, sondern auch in westlichen liberalen Gesellschaften. Die Phrase elend ausgelutscht, doch großartige Menschen wie Malala Yousafzai rufen in Erinnerung: Bildung ist der Schlüssel.
Nicht Ausbildung (solche erfahren auch die Taliban), sondern Bildung. Zum Thema hat die Tribüne umfangreichen Stoff für Schulen zusammengestellt, Download unter tribuene-linz.at/malala.
Am Ende rappt eine Girl-Group „I Am Malala“ – super! Das junge Premierenpublikum zeigte sich überwiegend angetan, spendete reichlich Applaus. Termine bis 28. Mai, weitere Vormittagsvorstellungen auf Anfrage.
Von Christian Pichler