Eine gelungene Uraufführung hat Mittwochabend „Der schlafende Wal – ein Stück ohne Bruckner“ im Posthof in Linz gefeiert. Manuela Linshalm bringt das eigentliche Mehrpersonenstück bravourös auf die Bühne. Allein – mit den wunderbaren Puppen von Soffi Povo – spielt sie etliche Charaktere, verleiht jedem Individualität und Eigenheit. Autor Paulus Hochgatterer war „glücklich mit der Umsetzung“ seines Textes. Die Koproduktion ist ab 16. Oktober im Schubert Theater Wien zu sehen.
Auf Krawall gebürstet
Mit einem lauten „Ich geh, du blödes Arschloch“ bringt Linshalm das letzte Flüstern im Publikum zum Verstummen und sich selbst in den Raum. Von den Springerstiefeln bis zur Pastell-Kapuzenjacke auf Krawall gebürstet, sprayt sie „infantil stilisierte männliche Geschlechtsteile“ an die Wand und kassiert dafür von der Richter-Puppe – mit Kasperlstimme – Sozialarbeit, 100 Stunden persönliche Assistenz bei einer alten Dame.
Zwei Welten prallen aufeinander und finden doch langsam eine Verbindung. Linshalm, wie ein Schatten ganz in Schwarz, erweckt die liebevoll gestaltete Puppen-Figur zum Leben, trippelt mit ihr am Rollator, seufzt und spricht in Alt-Damen-Stimme – meistens von ihrem verblichenen Gatten und dessen Obsession mit Bruckner und vor allem dessen siebenter Sinfonie – „er ist ihr nachgereist, der Siebten, von Aufführung zu Aufführung“.
Im Zimmer einer alten Dame
Regisseur Simon Meusburger hat auch die Bühne gestaltet, wie man sich das Zimmer einer alten Dame vorstellt, Tischchen, Deckchen, alte Lampen, ein Plattenspieler und viele Erinnerungen. Licht und Musik unterstreichen die stets stimmige Atmosphäre, Schattenbilder und Projektionen erzählen die Geschichte geschickt mit. Auch Anspielungen auf Politik – „Wo der Verstand fehlt, beschwört man den Hausverstand“ – und sonstige Unterschwelligkeiten sind eingebaut.
Bruckner ist sehr präsent
Bruckner ist im Stück sehr präsent, ohne je in Erscheinung zu treten – in den Erzählungen der Frau, „Kollege“ Johannes Brahms, der von Bruckner verehrte Richard Wagner und Musikkritiker Eduard Hanslick tauchen als Puppen unter Lampenschirmen auf und wetteifern im Bruckner-Bashing.
Linshalm spielt auch diese Rollen, gibt den sich über Bruckner erhebenden Männern die passenden Idiome, vom Deutschen bis zum näselnden Wienerisch, und lässt sie Zwiegespräche führen. Eine ambivalente Reminiszenz an den zu Lebzeiten unterschätzten Jubilar des Jahres. Ein Festkonzert zum 200. Geburtstag von Bruckner in Linz – „Nichts, was ich nicht schon gehört hätte“ befindet die alte Dame resigniert.
Die Witwe und die rotzfreche, von ihr „Clara“ getaufte Jugendliche kommen sich näher. Sie räumen auf im Leben der Alten, weg mit den Buntstiften, weg mit den Fotos, alles nicht eben glückliche Erinnerungen an den Gatten – auf den Plattenteller kommt Brahms „nach 20 Jahren Brucknerdiktatur“.
Verhärmte Schalen brechen auf
Verhärmte Schalen brechen auf, Schmerzliches, Lichtblicke wie der titelgebende Wal kommen zum Vorschein. Hochgatterers Text geht tiefer in die Charaktere, Linshalm streicht dies in persona und per Puppe heraus.
Zum Schluss entlockt das „Nichts“ in den Kopfhörern der Jungen der Alten ein wohliges Seufzen und die überaus stimmige Uraufführung dem Publikum zurecht viel Beifall.
Weitere Infos und Tickets unter http://www.posthof.at und http://www.schuberttheater.at
Von Ulrike Innthaler