Grein: Witz und Wahres um Liebe, Tod und Stoffwechsel

Premiere der Greiner Dilettantengesellschaft im Stadttheater: „Der Herzerlfresser“ von Ferdinand Schmalz

Der Chor der verlorenen Herzen © Lothar Pühringer

Endlich fertig ist das nagelneue Einkaufscenter am Ortsrand, das Prestigeprojekt des Bürgermeisters. Da entdeckt ausgerechnet er auf dem morastigen Grund eine Frauenleiche mit einem Loch genau dort, wo normalerweise das Herz sitzt. Noch lähmt der Schock, da taucht eine zweite herzlose Frauenleiche auf. Mit seinem „Wachorgan“, dem Gangsterer (Alfons Puchner), geht der Bürgermeister (HP Baumfried) eine Undercover-Tätersuche an.

Den „Herzerlfresser“ gab es angeblich wirklich. Ende des 18. Jahrhunderts soll er im steirischen Kindberg sechs Frauen getötet und ihre Herzen verspeist haben, um, gemäß einem Aberglauben, unsichtbar zu werden.

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Der vielfach ausgezeichnete Bühnenautor Ferdinand Schmalz (Bachmann- und Nestroypreis, Jg. 1985) griff den Mythos auf und konstruierte eine absurde Story in vielen Schichten auf Fundamenten aus schwarzem Humor und simplem Geblödel. Das Ganze verfrachtet er in eine real-absurde Gegenwart. Diese feierte kürzlich als Aufführung der Greiner Dilettantengesellschaft im Stadttheater ebendort Grein Premiere.

Mehrstimmige Arien begeistern

„Herzilein, du musst nicht traurig sein“ – ein Chor kommentiert analog zu griechischen Tragödien das dramatische Geschehen. Von Opernregisseurin Manuela Kloibmüller mit gebotenem Ernst arrangiert und einstudiert, sorgen die mehrstimmigen Arien vom berühmten Piaf´schen Padam-Herzschlag bis zum Stern, der sich auf fern und gern reimt, für heftigen Zwischenapplaus.

Feuerwerk aus schrägen Szenen, Texten und Figuren

Aus Wien reiste Regisseurin Doris Happel trotz aller ÖBB-Turbulenzen monatelang nach Grein, um mit „ihren“ Dilettanten ein Feuerwerk aus schrägen Szenen, Texten und Figuren auf die Bühne des feinen Barocktheaters zu stellen. Lothar Pühringer und Rudi Haller finden mit Lichtdesigner David Hochgatterer auch auf der kleinen Bühne Platz für ein riesiges Baufeld samt versinkendem Gebäude.

In den knapp zwei Stunden (mit Pause) gibt es kaum Zeit zum Luftholen. Witz und Wahres überschlagen sich. Einzig der mysteriöse Herbert (Jonas Kummer, ein Schauspieler, den man sich merken wird) nimmt sich Zeit und Ruhe für einen philosophischen Monolog mit brachialen Ideen zu Liebe und Stoffwechsel. Astrid Zehetner als elegante Transfrau monologisiert im Vollrausch überzeugend über das Wesen von Beziehungen und gewinnt so das Herz des Bürgermeisters. Als Posthippie und Umweltaktivistin Florentina bezaubert Christine Puchner, die ihr nicht vorhandenes Herz fast an den Herzerlfresser verloren hätte.

Am Ende bleibt das Gefühl, man möchte das alles mindestens noch einmal sehen, um die Fülle an Witz, Philosophie und Gags zu erfassen. Langer Applaus.

Von Eva Hammer