„Hagen – Im Tal der Nibelungen“: Ein Fantasyspektakel mit Tiefgang

Jannis Niewöhner als ambivalenter Drachentöter Siegfried und Gijs Naber als nicht nur böser Hagen

Sex, Suff und Machtgerangel – sehr viel mehr haben die als Nibelungen berühmt-berüchtigten Mannen nicht zu bieten. Das jedenfalls legt die Neuverfilmung des Nibelungenliedes zunächst nahe. Die üppige Kinosaga holt die Figuren in die Wirklichkeit. Im 19. und im 20. Jahrhundert galt der vor etwa 900 Jahre niedergeschriebene Text den Deutschen als Nationalepos. „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ geht nun einen anderen Weg.

Über allem liegt ein märchenhaftes „Es war einmal …“: Drachentöter Siegfried (Jannis Niewöhner) will angeblich nur Gutes. Am Hof des Burgunderkönigs Gunter (Dominic Marcus Singer) wird er als tapferer Recke gefeiert. Kriemhild (Lilja van der Zwaag), die Schwester des Königs, schenkt ihm ihr Herz. Doch Waffenmeister Hagen (Gijs Naber) durchschaut den Krieger. Er sieht das Böse hinter den hübschen Masken. Aber ist Hagen selbst ein Ehrenmann? Letztlich geht es auch ihm nur um das eigene Wohl.

Höchst origineller Zugriff

Genau 100 Jahre ist es her, dass Fritz Lang („Metropolis“) mit dem opulenten Stummfilmzweiteiler „Die Nibelungen“ einen Welthit schuf. Zugleich hat sich der Regiegigant damit als einer der Väter des Fantasygenres in die Filmhistorie eingeschrieben. Die Neuverfilmung nun punktet mit einem höchst originellen Zugriff auf den Stoff fern aller denkbaren Verherrlichung tumber Heldenmythen. Siegfried wird hier als Säufer, Raufbold, Lügner und Frauenverächter charakterisiert.

Historischer Actionthriller mit visueller Pracht

Fans der von Opernkomponist Richard Wagner romantisierten Lesart des Nibelungenliedes dürfte das nicht gefallen. Doch genau damit holt der Spielfilm des Regieduos Cyrill Boss und Philipp Stennert die mittelalterliche Saga schnurstracks ins Hier und Heute. Der mit visueller Pracht punktende historische Actionthriller basiert auf dem Roman „Hagen von Tronje“ von Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein.

Inhaltlich fesselt vor allem, wie die menschenverachtende Weltauffassung der Protagonisten insbesondere an deren Haltung gegenüber den Frauen deutlich wird. Die Männer betrachten sie allenfalls als willfährige Puppen zur brutalen Befriedigung körperlicher Lust. Als ihnen aber mit Brunhild (Rosalinde Mynster), der Königin von Island, eine starke, selbstbewusste Kriegerin Paroli bietet, erweisen sie sich als Jammerlappen, die nur mit Tricks und Gewalt überleben können.

Schauspielerisch wird überwiegend solides Handwerk geboten. Der Niederländer Naber („Die Geschichte meiner Frau“) als Hagen von Tronje und der Deutsche Niewöhner („Narziss und Goldmund“) ragen aus dem mit beispielsweise Jördis Triebel („Babylon Berlin“) und Jörg Hartmann („Weissensee“) starbesetzten Ensemble heraus.

Facettenreiche Charakterstudien

Den zwei Hauptdarstellern gelingen facettenreiche Charakterstudien. Mit der Demaskierung angeblicher Helden als macht- und geldbesessene Lügner, die sich für besser halten als alle anderen Menschen, weisen sie spannungsvoll ins Jetzt. Denn es sind Typen wie sie, die gegenwärtig an vielen Orten der Welt nach politischem Einfluss streben.

TV-Version angekündigt

Neben der Kinofassung ist auch eine TV-Version angekündigt. Die aufwendige Literaturverfilmung soll im Jahr 2025 auch als sechsteilige Serie auf RTL+ veröffentlicht werden. In der dann insgesamt längeren Laufzeit als im Kino dürften einige der Nebenfiguren wohl ein stärkeres Profil als im Spielfilm erhalten. Genaue Sendetermine wurden noch nicht bekanntgegeben.

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