Was macht Hape Kerkeling an seinem 60. Geburtstag? Er wird sich wohl mit seinem Mann Dirk Henning vor den Fernseher setzen. „Wir gucken uns auf jeden Fall diesen Wahnsinns-Thementag an, sowas kriegt man vermutlich nur einmal im Leben“, erzählt der Komiker und Entertainer der dpa in Köln. Die ARD feiert seinen runden Geburtstag am Montag (9.12.) gleich mit mehreren Sendungen, unter anderem läuft um 20.15 Uhr die Dokumentation „Hape Kerkeling – Total normal“.
Kerkeling ist schon länger prominent als Deutschland wiedervereint ist. Als gerade einmal 19 Jahre altes „Bürschel“ erhielt er 1983 die erste Ausgabe eines neu gegründeten Kabarett-Preises aus Bayern, des Passauer Scharfrichterbeils. Von da an ging alles ganz schnell: „Ich bin damals recht unvorbereitet in diese ziemlich große Karriere hineingerutscht“, reflektiert er im dpa-Interview.
Eigene TV-Show bereits im Alter von 20
Mit 20 moderierte er bereits eine eigene Show in der ARD („Känguru“), fast ohne jede Bühnenerfahrung. „Ich war vorher aufgetreten im Zusammenhang mit Schulaufführungen oder hatte mal kleinere Auftritte bei Talentwettbewerben mit 50 Zuschauern absolviert. Und dann plötzlich die Showbühne der ARD. Im Rückblick muss ich sagen: Dass das gutgegangen ist, ist erstaunlich.“
Zunächst lief es auch nicht so glatt, denn zwei Jahre später flog er beim WDR wieder raus. Danach waren erst mal Schützenfeste angesagt. „Eigentlich habe ich erst da das Handwerk von der Pike auf gelernt.“ Der endgültige Durchbruch kam 1989 mit der vielfach ausgezeichneten Comedyserie „Total Normal“, die er zusammen mit seinem Schulfreund Achim Hagemann bestritt.
Intermezzo mit Ausbildung zum Heilpraktiker
Der Erfolg ist ihm danach immer treu geblieben, vielleicht abgesehen von einer kurzen Durststrecke Ende der 90er Jahre, als er sich beruflich neu orientierte und eine Ausbildung zum Heilpraktiker begann. „Ich habe mich an dieser Schule sehr wohlgefühlt“, erzählt er. „Es ist im Nachhinein ärgerlich, dass ich den Abschluss nicht gemacht habe.“ Vieles habe er seitdem vergessen – aber, so sagt er mit einem Blick zu seinem Mann, in Gesundheitsfragen wisse er seitdem zu Hause alles besser.
Sein größter Kult-Moment war die Sache mit Beatrix. In einer spektakulären Aktion gelang es ihm 1991, kurz vor einem Staatsbesuch der niederländischen Königin im Kostüm mit leuchtend blauem Hütchen am Schloss Bellevue vorzufahren. Tatsächlich wurde die falsche Beatrix auf das Gelände gelassen, um „lecker Mittag zu essen“.
Günther Jauch erwähnt in der Doku, der Streich hätte ohne weiteres ernste Konsequenzen haben können, wenn die Sicherheitskräfte weniger entspannt reagiert hätten. Kerkeling sagt dazu im dpa-Interview: „Das zeigt ja auch die Größe der damaligen Bundesrepublik, dass man das eben nicht so eng gesehen hat. Heute wäre das vermutlich anders.“
Beim Fernsehen riet man ihm zu einer Scheinbeziehung
Übrigens erkannte er selbst unmittelbar im Anschluss keineswegs, dass er mit dieser Szene TV-Geschichte geschrieben hatte: „Nein, ich fand das nicht besonders komisch“, erinnert er sich. „Ich hatte das ja erlebt in der ersten Person und dachte: ‚Lecker Mittagessen‘ – ja, und jetzt? Mir ist erst durch den Blick der Zuschauer auf das Stück klar geworden, was uns da eigentlich gelungen ist.“
Obwohl Kerkeling schon als kleiner Bub zum Fernsehen wollte – ausgelöst durch eine Weihnachtsansprache von Bundespräsident Gustav Heinemann – waren ihm die Schattenseiten des Mediums sehr bald bewusst. In seinem neuen Buch „Gebt mir etwas Zeit“ schildert er weit verbreitetes Mobbing hinter den Kulissen. Er selbst bekam vom WDR die Empfehlung, eine heterosexuelle Scheinbeziehung einzugehen, um seine Homosexualität zu verdecken. Sein Zwangsouting erfolgte 1991 durch den schwulen Filmemacher Rosa von Praunheim – dieser rechtfertigt sein Vorgehen in der Doku, scharfe Kritik kommt unter anderem von Günther Jauch.
Neuer Kinofilm in Vorbereitung
Derzeit bereitet Kerkeling einen neuen Kinofilm mit seiner bekanntesten Figur in der Hauptrolle vor – Schlämmer im Woke-Zeitalter. Warum wird der Schmieren-Reporter trotz seiner nur allzu offensichtlichen Unzulänglichkeiten so sehr geliebt? „Ich glaube, es ist die Stimme“, sagt Kerkeling der dpa. „Dieses Sonore, Weihnachtsmannartige. Er hat mit dem Weihnachtsmann das selbstbewusste Auftreten gemein, aber auch das leicht Angetrunken-Sein, die roten Wangen und die Nase.“
Schon früh stand für Kerkeling fest, dass er sich mit spätestens 50 Jahren weitgehend vom Bildschirm zurückziehen wollte. Eine eigene Sendung macht er seitdem nicht mehr. „Es geht mir vor allem darum, mich künstlerisch so frei wie möglich ausdrücken zu können, und da ist natürlich die beste Möglichkeit das Schreiben.“
Sachbuch-Erfolg mit „Ich bin dann mal weg“
Mit „Ich bin dann mal weg“ über seine Wanderung nach Santiago de Compostela veröffentlichte er 2006 das erfolgreichste Sachbuch der Nachkriegszeit. Geplant war das ursprünglich nicht – die Pilgerreise war vielmehr seine Antwort auf eine persönliche Krise nach einer Operation und einem Hörsturz.
Seine beste Freundin, die Sängerin Isabel Varell, sagt dazu in der Doku: „Typisch für Hape ist, eben nicht sitzen zu bleiben und im Sofa zu versinken, wissend, dass er eine Mutter hatte, die an starken Depressionen gelitten hat und das Leben nicht mehr aushalten konnte. Das wird ihm nicht passieren, weil er dann auf die Reise gehen wird. Immer wieder in seinem Leben wird er das tun.“
„Mit aller Macht“ gegen die Anti-Demokraten von rechts
Seit „Ich bin dann mal weg“ haben sich alle seine Bücher sofort an die Spitze der Bestsellerlisten gesetzt, zuletzt wieder die Beschäftigung mit seiner Familie und seinen Ahnen, „Gebt mir etwas Zeit“. Die Bücher dürften auch deshalb so viele Menschen ansprechen, weil Kerkeling nie nur Komiker gewesen ist. Er hat immer auch in Abgründe geschaut und beherrscht die leisen Töne ebenso wie den Klamauk. Mit dem Älterwerden scheint er – anders also manch anderer Prominenter – keine Probleme zu haben, dazu kommen politisches Bewusstsein und die Bereitschaft, Zivilcourage zu zeigen.
So hielt er im vergangenen Jahr in der Düsseldorfer Synagoge eine Laudatio auf die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die mit einem Preis für ihr Engagement gegen Antisemitismus geehrt wurde – zahlreiche Anfeindungen gegen ihn waren die Folge.
„Ich bin kein Historiker, kein Politologe, kein Soziologe, kein Wirtschaftswissenschaftler“, sagt er im dpa-Interview. „Aber wenn ich mir die Sache einfach mal als Bürger so anschaue, dann muss ich doch erkennen, dass es Kräfte in diesem Land gibt, die die Demokratie beseitigen wollen, und diese Kräfte werden unterstützt von einigen sehr mächtigen Ländern, die ebenfalls alles dafür tun würden, um unsere Demokratie abzuräumen. Wenn man das erkennt, dann muss die Konsequenz daraus doch sein, dass wir uns mit aller Macht dagegen stemmen müssen. Ich kann nur jeden dazu auffordern, seine Stimme zu erheben.“