„Heretic“: Sinisterer Hugh Grant stellt die Gretchenfrage

Hugh Grant bei der Premiere des Horrorfilms „Heretic“ © APA/dpa/Fabian Sommer

Hinter der liebenswürdigen Fassade verbirgt sich ein sinisteres Geheimnis: Im Horrorfilm „Heretic“ von Scott Beck und Bryan Woods glänzt der britische Filmstar Hugh Grant als Mann mit undurchsichtigen Absichten, wenn er zwei Missionarinnen die Gretchenfrage stellt. Anstatt sich selbst bekehren zu lassen, treibt er in dem kammerspielartigen Streifen die Glaubensthematik auf die Spitze – mit herrlich gruseligen Konsequenzen. Ab Donnerstag im Kino.

Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) streifen durch eine Kleinstadt, um die Menschen vom Mormonentum zu überzeugen. Die beiden jungen Frauen sind zwar durchaus engagiert, stoßen im besten Fall aber auf Ablehnung, im schlimmsten auf Spott. Da wirkt das abgelegene Haus von Mr. Reed (Grant) wie ein sicherer Hafen, zeigt der gemütliche, ältere Herr doch durchaus Interesse an ihren Thesen. Da stört es auch kaum, dass sich draußen der Himmel verfinstert und seine Schleusen öffnet.

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Doch auf die etwas naive Paxton und die introvertierte Barnes wartet ein Martyrium. Stück für Stück wird deutlich, dass Reed in Glaubensdingen keineswegs so unbedarft ist, wie sie zunächst annehmen. Vielmehr stellt sie der belesene Mann vor immer neue Rätsel, wenn er nicht nur ihren eigenen Glauben analysiert und zerpflückt, sondern sich eine Weltreligion nach der anderen vorknöpft. Christentum, Judentum, Islam – nichts ist vor ihm sicher. Und schon gar keine populärkulturellen Hilfsvehikel wie das Gesellschaftsspiel Monopoly oder die britische Rockband Radiohead. Das war doch alles schon mal da, nicht wahr?

Es ist beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit das Regie- und Autorenduo Beck und Woods in dieser A24-Produktion auf Reduktion und Wortgewalt setzt. Horror sieht üblicherweise anders aus, doch „Heretic“ gelingt allen voran in der ersten Hälfte das Kunststück, enorm spannungsgeladen daherzukommen, obwohl so gut wie nichts passiert. Das gesprochene Wort und die Gedanken, die Flügel bekommen, sind alles, was es braucht. Und natürlich ein bestens aufgelegter Hugh Grant, dem es ganz offensichtlich eine diebische Freude ist, seine liebenswerte Schale abzustreifen, um in den Abgrund zu blicken – mit einem Lächeln selbstverständlich.

Wie so oft gilt natürlich: Je weniger man im Voraus über „Heretic“ weiß, umso lohnenswerter ist das Eintauchen in dieses Häuschen irgendwo im Wald, in dem um Moral, Wahrheit und Glauben gestritten wird. Beck und Woods, die bereits mit ihrem Drehbuch zu „A Quiet Place“ einen vollen Erfolg gelandet haben, können sich außerdem auf das genaue Auge von Kameramann Chung Chung-hoon verlassen, dem ein ums andere Mal ungewöhnliche Perspektiven gelingen, die ein Labyrinth vermuten lassen, wo möglicherweise gar keins ist.

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Und selbst wenn das Wort am Ende ausgedient hat und sich der Film zusehends in konventionelle Bahnen entwickelt, bleibt „Heretic“ ein kleines Glanzstück des modernen Horrorkinos, das sukzessive auf Erwartungshaltungen pfeift und inhaltlich immer wieder neue Wege auslotet. Für das Darstellertrio Grant, East und Thatcher ist es nichtsdestotrotz eine Achterbahnfahrt, die sich gewaschen hat. Mit welcher Natürlichkeit sie hindurch navigieren, macht Staunen. Vielleicht nicht unbedingt der Weihnachtsklassiker per se, aber ein nachdenklich machender Grusel, der perfekt in die kalte Jahreszeit passt.