Wenn Kevin Costner mal wieder „Cowboys und Indianer“ spielt, dann weiß man, was einen erwartet: ein einsamer Kerl, der sich stoisch zum Helden aufschwingt. Seine neue Regiearbeit „Horizon – Eine amerikanische Saga“, ein 12-stündiges Western-Epos fürs Kino in vier Teilen, ist eine seifige Pferdeoper mit staubverkrustetem Retro-Feeling. Der erste Dreistünder reitet am Donnerstag in die Kinos.
Die Westernfilme kehren zurück in diesem Jahr – schon wieder. Doch einer schien dieses uramerikanische Genre nie wirklich verlassen zu haben. Kevin Costner, immer auf den Spuren seines Idols John Ford („Der Schwarze Falke“), hat seit Lawrence Kasdans „Silverado“ (1985) selbst auch eigene Western gedreht. Im Jahr 1990 machte er aus einem melancholischen Spätwestern einen mit sieben Oscars ausgezeichneten Hit. Es war natürlich „Der mit dem Wolf tanzt“, ein Drama, das die Klischees des Genres mit einem menschlicheren Porträt der amerikanischen Indigenen austauschte.
Jedes erdenkliche Genre-Klischee
Über drei Jahrzehnte und einen weiteren Western („Open Range“ aus dem Jahr 2003) später, ist Costner mit seinem Mega-Epos „Horizon“ zurück, das er offenbar mit jedem erdenklichen Genre-Klischee füllen wollte. In Sachen Optik ist er unschlagbar und Costner hat sich J. Michael Muro geholt, den Kameramann, der schon „Der mit dem Wolf tanzt“ gedreht hat. Außerdem ist die Musik von John Debney genau richtig kitschig. Aber es gibt zu viel Indianergeheul und zu viele Bilder von Männern, die auf Tafelbergen stehen und ihre Waffen gen Sonnenuntergang strecken. Der 69-jährige Schauspieler hat sogar eine Szene eingebaut, in der das ehemalige australische Supermodel Abbey Lee auf ihn steigt und ihn in eine gute Nacht „reitet“ (Hollywood macht es möglich).
Was 2024 schwierig ist
Die Geschichte beginnt Anfang der 1860er Jahre im San Pedro Valley, wo sich Weiße eine kleine Siedlung namens Horizon aufgebaut haben. Doch noch bevor man richtig ins Detail gehen kann, galoppieren in der nächsten Szene indigene Krieger herein und metzeln fast alle nieder. Costner hat die Szene tadellos gedreht, aber es ist schwierig, im Jahr 2024 mit anzuschauen, wie engelsgleiche weiße Frauen (darunter Sienna Miller) vor Angst zusammenkauern, während blutrünstige Eingeborene mit Äxten herumfuchteln.
Wenn man bedenkt, dass Costner der gleiche Mann ist, der mit „Der mit dem Wolf tanzt“ gemacht hat, ist das schon befremdlich. Er selbst reitet erst nach einer Stunde in seinen Film. Er spielt einen coolen Cowboy von der klassischen, schweigsamen Sorte, der in einen Streit um ein kleines Kind verwickelt wird, was ihn und die Prostituierte (Abbey Lee), die auf den Buben aufpasst, zur Flucht zwingt.
Zu viel unter einem Cowboy-Hut
Das ist nur einer von zu vielen Handlungssträngen, die Costner hier versucht, unter einen Cowboy-Hut zu bringen. An anderer Stelle spielt Sam Worthington („Avatar“) einen Kavallerie-Captain, der sich in eine Überlebende des eingangs erwähnten Massakers verliebt und wieder an einer anderen Stelle spielt Luke Wilson („Durchgeknallt“) einen Kerl, der einen Haufen weißer Siedler durch die Prärie treibt.
Vielleicht hat Costner zu viel Zeit in Taylor Sheridans Hit-Serie „Yellowstone“ verbracht, eine hurrapatriotische Pferde-Seifenoper, die dafür bekannt wurde, dass sie die kulturellen Spannungen in Amerika zu verstehen schien. Er hat die erfolgreiche Serie verlassen und rund 38 Millionen US-Dollar seines eigenen Geldes investiert, um sein Herzensprojekt auf die Beine zu stellen. In den USA hat das erste Kapitel an den Kinokassen jedenfalls eine Bruchlandung hingelegt.
Aus gutem Grund gibt es Filme wie „Horizon“ heutzutage nicht mehr: weil Künstler wie Martin Scorsese diese Art des reduktiven Western in „Killers of the Flower Moon“ sorgfältig auseinandergenommen haben. Trotzdem ist es noch zu früh, um zu sagen, ob Costners Mega-Epos auch filmtechnisch ein Mega-Flop ist. Der zweite Teil soll am 7. November in die heimischen Kinos kommen, aber die Aussicht auf weitere drei Stunden hätte vielleicht selbst den wackersten Siedler abgeschreckt.
Von Marietta Steinhart