Seit zehn Jahren führt Matthias Davids erfolgreich und vielfach preisgekrönt die Musical-Sparte am Landestheater in Linz. 2025 wird er bei den Bayreuther Festspielen Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“inszenieren. Mit dem VOLKSBLATT sprach der Regisseur über Musical, Oper und die Arbeit mit Kindern.
VOLKSBLATT: Wie kam es dazu, dass Sie als Musicalchef in Linz gelandet sind?
MATTHIAS DAVIDS: Wir hatten auf einmal Hunderte mehr Plätze zu befüllen. Da kam dann die Idee auf, das Genre Musical stärker zu etablieren, und so ist dann die Idee entstanden, eine eigene Sparte daraus zu machen. Ich war ja schon seit geraumer Zeit in Linz unterwegs und habe schon einige Produktionen gemacht. Deshalb wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, die Sparte aufzubauen.
Und Sie haben gleich „Ja“ gesagt?
Ich habe gesagt, für mich wäre es nur wichtig, dass eine Art Bildungsauftrag erfüllt wird, heißt, dass wir nicht auf Blockbuster zurückgreifen müssen, um das Haus zu füllen. Ich möchte so eine Art Aufklärungsarbeit im Bereich Musical machen. Das fand der damalige Intendant gut, und so ist das entstanden.
Welches Musical würden Sie gerne in Linz sehen?
Oh Gott, es gibt viele, die ich in Linz sehen wollen würde. Ich würde vielleicht ganz gerne die Chance haben, so Stücke die für den Long Run festgezurrt sind, hier einmal zu machen. Zum Beispiel „Das Phantom der Oper“ wäre ein perfektes Stück für ein Haus wie das Linzer Musiktheater. Nur sind da die Rechte nicht verfügbar. Es gibt nur eine Musterinszenierung, die inzwischen mehr als 30 Jahre alt ist. Theater lebt aber davon, dass man eine neue Sichtweise darauf hat. Was einen vor 30 Jahren beeindruckt hat, beeindruckt einen heute nicht mehr so, also insofern wäre es schon längst an der Zeit, dass dieses Stück frei auf den Markt kommt.
Am 9. September feiert „School of Rock“ im Musiktheater Premiere. Warum haben Sie dieses Stück ausgewählt?
Dieses Stück erfüllt zwei Wünsche, die ich habe: Wir müssen unbedingt Nachwuchs generieren, nicht nur auf der Bühne, sondern auch vor der Bühne. Außerdem habe ich festgestellt, dass es für Kinder immer ein besonderes Erlebnis ist, Theater zu spielen und dass alle sehr in ihrer Persönlichkeit gewachsen sind. Und da habe ich gedacht, wir müssen mehr Kinder auf die Bühne holen, die aber nicht nur herumstehen und süß sind, sondern auch richtig was können müssen. Das Stück ist quasi eine Art von Nachwuchsförderung. Und es erzählt eine tolle Geschichte.
Wie schwierig ist es, mit 28 Kindern zusammenzuarbeiten?
Sehr schwierig, weil sie alle wie Flöhe sind. Ich muss sagen das ist eine ziemliche Aufgabe. Das sind zwar ganz tolle Kinder, aber sie haben einen großen Spieltrieb. Man muss spielerisch vermitteln können, den Spaß entfachen, aber auch klar machen, dass auf der Bühne alles festgelegt ist, auch wenn es am Ende nicht so aussieht.
Mussten Aufgrund des Alters besondere Auftrittsregeln eingehalten werden?
Wenn es um die Gefährdung der Kinder geht, sind die Regeln sehr streng. Das hat einen großen Einfluss auf das Bühnenbild gehabt. Wir mussten ein Bühnenkonzept einstampfen, weil es hieß, das ist zu gefährlich. Aber ich bin heilfroh, dass in Österreich grundsätzlich die Gesetzmäßigkeiten, was theatralische Arbeit mit Kindern angeht, sehr entspannt sind. Das kenne ich aus Deutschland oder der Schweiz ganz anders. Da sind die Regeln so hart, dass ich ein Stück wie „School of Rock“ dort gar nicht machen könnte. Ich finde das total falsch, weil das, was ein Kind beim Theaterspielen an Selbstbewusstsein, über die Grenzen hinaus gehen und sich was trauen usw. lernt, das kann man oft nicht anerziehen.
Sie sind ja nicht nur in Linz ein gefragter Regisseur, sondern werden unter anderem auch 2025 bei den Bayreuther Festspielen die Neuproduktion von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ inszenieren. Wie kam es dazu — haben Sie sich dafür beworben?
Bei so etwas bewirbt man sich nicht. Da wird man gefragt. Katharina Wagner ist da auf mich zugekommen. Ich finde das eine tolle und spannende Aufgabe. Vielleicht ist es so, dass die in Bayreuth gesagt haben, nach den Inszenierungen, die wir jetzt hatten, brauchen wir etwas anderes. Und da ist der Davids vielleicht ein Name, auf den man erstmal nicht so kommt.
Haben Sie Bammel davor?
Ich bin gerade in beobachtender Position und versuche herauszufinden, was das überhaupt ist Bayreuth. Ich empfinde das im Moment noch als Vorteil, nicht so in einer Wagner-Bayreuth- Blase zu sein — weil ich das ganze von außen betrachte und vielleicht auch nicht sofort auf die Knie gehe, wenn ich Wagner höre. Im Moment versuche ich herauszufinden, wie das geht, eine Komödie, die über fünf Stunden geht, auf die Bühne zu bringen.
Wäre ein fünfstündiges Musical denkbar?
Ich würde es nicht machen wollen. Musical lebt davon, dass es eine gewisse Zeitspanne hält, schnelle Wechsel hat und so. Das ist natürlich ganz anders als bei Wagner, der sich Zeit nimmt. Aber das heißt nicht, dass man nicht trotzdem so unterhaltsam oder so spannend erzählen könnte, dass einem die Zeit verfliegt und man dann vielleicht nach fünf Stunden rauskommt und sagt — oh, das kam mir eigentlich vor wie zweieinhalb. Das wäre natürlich ein Traum, wenn ich das in Bayreuth schaffen könnte.
Haben Sie sich Tipps bei den Kollegen geholt, die die „Meistersinger“ in Linz inszeniert haben?
Ich fand es sehr spannend, den Prozess hier in Linz mitzubekommen. Zu sehen, was jemand anderer daraus macht und was mir daran gefällt und was nicht. Im Moment kommuniziere ich mit vielen, die mit Wagner zu tun hatten und in Bayreuth waren. Man muss ja nicht nur das Stück, sondern auch den Hügel, das Haus, verstehen.
Wo sind die Unterschiede zwischen dem Publikum in Bayreuth und dem Linzer Publikum?
Bayreuth ist eine Mischung aus Touristen und Opernliebhabern. Ich würde behaupten, dass nicht alle wissen, auf was sie sich einlassen. Hauptsache, sie waren einmal in Bayreuth. Dann gibt es die Opernfixierten. Und dann gibt es diese Fachleute, die bei jeder Inszenierung besser wissen, wie man es eigentlich machen hätte müssen. Man hat da eine sehr große Spaltung. Hier in Linz hat man das ganz „normale“ Publikum, das heute Wagner sieht, in vier Wochen dann den „Freischütz“ und danach „La Bohème“ und dann gefällt es ihnen oder auch nicht. Es gehört zum Theaterbesuch dazu.
Wie unterscheidet sich die Regiearbeit in der Oper von jener im Musical?
Man hat eine andere Art von Darsteller. Ich versuche in der Oper ein natürliches Spiel zu erreichen, denn oft hat man so Sänger, die mit Operngesten arbeiten, die nichts mit dem Text zu tun haben. Ansonsten ist das Musik verstehen und Musik und Inhalt vermitteln. Da muss man ein bestimmtes Tempoverstehen haben, was Musical betrifft. Da kann ich nicht mehr zwischen Akt eins und zwei den Vorhang zumachen und dann hinten umbauen. Aber warum sollte nicht auch bei der Oper ein fließender Bühnenwechsel stattfinden?
Wo wird man Sie künftig eher finden — bei der Oper oder beim Musical?
Ich bleibe dem Musical treu, werde aber hoffentlich nach Bayreuth auch wieder einmal eine Oper machen. Der Wechsel ist für mich gut und gesund.
Wird man Sie auch wieder auf der Bühne sehen?
Ich fürchte nein. Ich liebe das Spielen, möchte aber nicht in Gefahr geraten, dass die Leute sagen — oh Gott, jetzt inszeniert er nicht nur, jetzt spielt er auch noch selber. Insofern freue ich mich daran, dass andere so toll sind.
Mit MATTHIAS DAVIDS sprach Verena Schöberl