Jubel für Gerd Kührs Oper „Stallerhof“ in Klagenfurt

Oper des Kärntner Komponisten beeindruckt als schmerzhaft realistische Milieustudie © APA/StadttheaterKlagenfurt/Fessl/Karlheinz Fessl

Mit drastischem Realismus setzt Regisseurin Sophie Springer „Stallerhof“, die 1988 uraufgeführte Oper des Kärntner Komponisten Gerd Kühr, im Stadttheater Klagenfurt in Szene. Bei der Premiere am Donnerstag wurde das Kärntner Sinfonieorchester unter der Leitung von Mitsugu Hoshino ebenso mit Standing Ovations gefeiert wie das großartige Darsteller-Ensemble, allen voran Katharina Ruckgaber als behinderte Bauerntochter Beppi.

Das zeitlos-aktuelle Musiktheater-Stück rund um Missbrauch und Gewalterfahrung basiert auf dem gleichnamigen sozialkritischen Drama von Franz Xaver Kroetz aus dem Jahr 1972: Sprachlos und stumpf leben Staller und Stallerin, ein Bauernpaar irgendwo in Bayern, nebeneinander her. Bis ihre behinderte minderjährige Tochter Beppi vom wesentlich älteren Knecht Sepp vergewaltigt und schwanger wird.

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Kühr, der bei der Klagenfurter Premiere auch anwesend war, vertonte alle Stimmungslagen zwischen der Ängstlichkeit und Naivität Beppis, der Bösartigkeit der Mutter und der Brutalität Sepps mit leitmotivisch zugeordneten Instrumenten. Die umfangreiche Schlagwerkgruppe strukturiert dabei expressiv die ganze Oper. Mit Bezügen zu Volks- und Kirchenmusik oder Kinderliedern und -reimen kontrastiert Kühr atonale Phasen, auch ein Bachchoral klingt an, um den alles bestimmenden Katholizismus zu beschwören.

Archaische dörfliche Strukturen, eine Gemeinschaft, die viel sieht, aber schweigt und eine Familie ohne Liebe bilden den Hintergrund für das unter die Haut gehende Operndrama. Ein Frauenterzett erinnert an den Chor aus griechischen Tragödien und verkörpert mit altertümelnden Bibelzitaten (Zehn Gebote) die versteinerte Gesellschaft. Oft kommen die Solistinnen (Nadia Petrova, Sun Mi Kim, Satoko Narumi) hoch über dem Geschehen zu Wort: An die Wand eines Stadels erinnert die Kulisse, in der die drei von hinten beleuchtet auftreten. Darunter spielt sich im gelungenen Bühnenbild von Thomas Stingl die Handlung auf zwei weiteren Ebenen ab: Unter der Küche der Stallers liegt der Verschlag, in dem Beppi haust und Assoziationen mit heimischen Kriminalfällen von Fritzl bis Kampusch weckt.

Wie eng das Zusammenspiel der sensiblen Regie Sophie Springers mit dem Orchester ist, zeigt sich etwa, als der Staller (nuanciert: Stephen Chaundy) mit dem Hammer Beppis Kammer zunagelt. Gesungen wird im Dialekt, was die Oper zusätzlich zur Milieustudie macht. Als grandiose Schauspiel-Sängerin erweist sich dabei Katharina Ruckgaber als Beppi: Ihr heller Sopran unterstreicht ihre meist nervös-unbeholfene, dann wieder zögernd-zärtliche Gestik. Wie sie mit einer kleinen und einer lebensgroßen Stoffpuppe ihre kleine Welt spiegelt, hinter ihrer Brille die Augen zusammendrückt oder hysterisch mit den Fäusten auf ihre Schläfen trommelt, ist großes Kino. Matthias Störmer als Sepp steht ihr an Ausdruckskraft zwischen Frustration und Gewalt in nichts nach. Sarah Alexandra Hudarew als Stallerin vervollständigt die grandiose Ensembleleistung, die abschließend minutenlang vom Premierenpublikum gefeiert wurde.

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(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)

„Stallerhof“, Oper in drei Akten von Gerd Kühr. Libretto von Franz Xaver Kroetz nach seinem gleichnamigen Theaterstück. Mit: Mitsugu Hoshino (musikalische Leitung), Sophie Springer (Regie), Thomas Stingl (Bühne), Bettina Breitenecker (Kostüme), Walter König (Licht), Markus Hänsel (Dramaturgie). Stephen Chaundy (Staller), Sarah Alexandra Hudarew (Stallerin), Katharina Ruckgaber (Beppi), Matthias Störmer (Sepp), Nadia Petrova, Sun Mi Kim, Satoko Narumi (Frauenterzett); Kärntner Sinfonieorchester; weitere Vorstellungen: 8., 14., 19., 22., 27., 30. November, 4., 6. Dezember 2024; stadttheater-klagenfurt.at