Der Starttermin musste coronabedingt mehrfach verschoben werden, diese Woche ist es soweit: „Waren einmal Revoluzzer“von Johanna Moder kommt in die Kinos. In der Hauptrolle glänzt Julia Jentsch („Sophie Scholl — Die letzten Tage“).
VOLKSBLATT: Was hat Sie denn an der Geschichte von „Waren einmal Revoluzzer“ gereizt?
JULIA JENTSCH: Ich fand die Konstellation dieser drei Paare spannend, welche verschiedenen Verstrickungen es gibt und welche weiteren Beziehungen und Konflikte sich ergeben. Ich fand diese Ausgangssituation — jenseits des Inhalts und der Charaktere — schon einmal sehr interessant.
Finden Sie sich selbst in der Rolle der Helene?
JENTSCH: In der Gänze sicher nicht. Die Unterschiede sind ja erst mal auch sehr auffällig. Die andere Familienkonstellation, ein anderer Beruf, aber natürlich gibt es Situationen, in denen Helene sich befindet, oder Entscheidungen, die sie treffen muss, die ich genauso zwar noch nicht hatte, die ich aber sehr gut nachempfinden konnte. Oder die Fragen danach: Wie ehrlich bin ich denn eigentlich gerade zu mir selbst? Was ist der wahre Grund, warum ich mich so verhalte? Da gab es schon einiges, wo ich mich gut hineinversetzen konnte.
Waren Sie schon einmal in einer Situation, wo Ihre Haltung so auf die Probe gestellt worden ist?
So konkret glaube ich nicht. Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich mich gerne anders verhalten hätte, wo ich offener hätte sein wollen, mir dann aber vielleicht etwas im Weg stand oder ich Ängste hatte. Momente, in denen man nicht so viel geben kann und nicht so präsent sein kann, wie man es gerne wäre — das kenne ich auf jeden Fall. Aber in solch eine Situation wie Helene bin ich noch nicht gekommen.
Regisseurin Johanna Moder hinterfragt in dem Film eine ganze Generation. Sehen Sie die auch kritisch?
Ich habe das nicht so als Hinterfragen einer Generation gesehen, sondern der Menschen an sich und wie weit der Mensch bereit ist, auf eigenen Nutzen, Vorteile oder Komfort zu verzichten, oder eben nicht. Was passieren muss, dass man das tut. Wie viel bin ich bereit zu teilen, oder abzugeben von den Vorteilen, die ich eigentlich habe? Das sind grundsätzliche Fragen, die Menschen mehrerer Generationen betreffen. Ich glaube, dass sich die die Menschen immer wieder stellen, jetzt sind sie eben gerade sehr präsent.
Sie sind mit vielen Produktionen in Österreich — mögen Sie es, in Österreich zu drehen, mit österreichischen Kollegen zu arbeiten?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin dafür sehr dankbar, dass es mich in letzter Zeit öfters nach Österreich gebracht hat. Ich hatte auch früher schöne Begegnungen. Das war immer schön und angenehm, ich mag es sehr.
Die Serie „Der Pass“ mit Ihnen hat heuer einen Grimmepreis bekommen, aktuell entsteht die zweite Staffel. Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Nicholas Ofczarek? Sie kommen ja beide vom Theater …
Ich habe das Gefühl, es kommt mehr darauf an, dass man die gemeinsame Lust am Drehen spürt, auf das, was man da miteinander gestalten wird. Wenn man da eine ähnliche Leidenschaft spürt, dann macht das viel Spaß. Dann bringt es einen zusammen. Diese Erfahrung ist für mich wichtiger, als die Frage, ob das ein Quereinsteiger ist, oder jemand, der vom Theater kommt. Es geht um die Haltung zu der Sache, die man da gemeinsam macht.
Und mit Nicholas Ofczarek und Ihnen passt das, sie funktionieren gut als Team?
Das hoffe ich doch. Wir stecken da gerade wieder mitten drin und ich hoffe, wir sind da wieder gut gemeinsam unterwegs. Beim ersten Teil haben wir das in der Unterschiedlichkeit unserer Figuren und unseres Wesens gut gemeistert und ich bin auch jetzt zuversichtlich.
Haben die coronabedingten Verschiebungen bei Drehs und Filmstarts direkte Auswirkungen auf Sie?
Ja, auch ich war inmitten eines Drehs für „Der Pass“ und der musste abgebrochen werden. Ein weiterer Dreh wurde verschoben und hat nun gerade erst begonnen. Es freut mich sehr, wieder arbeiten zu können, aber es fühlt sich trotzdem noch alles sehr ungewiss und fragil an.
Wo ist für Sie als Darstellerin der Unterschied zwischen den beiden Produktionen — „Revoluzzer“ auf der einen Seite und „Der Pass“ von einem Riesen wie Sky finanziert, auf der anderen?
Es gibt große Unterschiede, aber das hat nichts mit der Firma zu tun, die da dahintersteht. Sondern, wenn man so eine Serie dreht mit vielen Teilen, in einem doch recht knapp bemessenen Zeitraum und mit vielen verschiedenen Drehorten, das ist irgendwie wie so eine größere Maschinerie, die da läuft, wo es vielleicht ein bisschen weniger flexibel ist, Dinge noch einmal spontan zu verändern, etwa noch andere Szenen zu drehen. Ein Film wie „Revoluzzer“ ist schon mit dem Versprechen an Johanna Moder gedreht worden, dass das ihr Film ist, so wie sie ihn möchte. Da steht das Miteinandererarbeiten mehr im Fokus, als wenn man 40 Menschen im Bild koordinieren muss. Aber es hat beides seinen Reiz und es tut auch gerade in der Abwechslung gut.
Sie schrecken auch vor schwierigen Themen und Rollen — beispielsweise in „24 Wochen“ — nicht zurück. Welche Figuren spielen Sie denn besonders gerne?
Erstmal hoffe ich, dass Rollen, die mir angeboten werden, anderes sind, als das, was ich schon gemacht habe. Dass es etwas Neues ist, auch die Geschichte. Das Ungewohnte interessiert mich. Dann schaue ich, wie der Rahmen ist. Wer macht die Regie, wie läuft die Kommunikation, hat man ähnliche Vorstellungen, findet man den Weg des Regisseurs spannend … Es sind mehrere Punkte, die da im Idealfall zusammenkommen.
Mit Julia Jentsch sprach Mariella Moshammer