Ein Liederabend beim Brucknerfest? Nicht gut vorstellbar, ist doch das Liedschaffen des Genius Loci wenig ergiebig für einen ganzen Konzertabend. Kammersänger Thomas Hampson wusste Rat für Ergänzungen und setzte am Sonntag im Brucknerhaus zeitnahe Komponisten zu Bruckner als ein Gedenken zu deren runden Geburts- oder Todesjahre auf sein abwechslungsreiches dreiteiliges Programm.
Man kannte viele Namen und Beispiele von Liedern, die Sänger zu ihrem Standardrepertoire zählen, die Liedpflege allerdings zu ihrem Hauptfach zählen. Das Vokalwerk eines Mahler, Brahms, Charles Ives, Schönberg, Zemlinsky, Richard Strauss oder Hindemith hatte sich Hampson mit Akribie erarbeitet, genau wissend um die vortragsrelevanten Ansprüche.
Lesen Sie auch
Auch was die Artikulation anbelangt, die die stimmliche Kapazität ausmacht, über die der Weltstar auf internationalen Konzertbühnen und in der Oper bis heute zu bestehen vermag. Im nächsten Jahr begeht er seinen Siebziger.
Intelligenz neben der selbstverständlichen Musikalität und Phrasierungskunst sind übliche Voraussetzungen für Sänger. Aber erst der ausdrucksmäßige Umgang mit seinen Fähigkeiten macht Hampson bewundernswert. Sein berühmter Name, seine vielseitigen musikalischen Aktivitäten führten seine vielleicht vor Jahrzehnten zuletzt erfolgte Begegnung in Linz als Liedsänger zu einem Brucknerfestereignis.
In manchen Proben verstärkte die persönliche Beziehung zu den Liedern, die deutlich zu spüren war, den gestalterischen Genuss, vornehmlich im zweiten Teil des Abends, den Hampson mit „Freiheit for the Pity of War“ betitelte. Manchmal entstand auch der Eindruck, als würde Hampson aus dem Liedinhalt eine Bühnenrolle kreieren oder dann wieder eine ganze Lebensgeschichte erzählen.
So sehr er emotionale Regungen eher zurückhielt, wirkte bei ihm immer die Aura einer unverwechselbaren großen Künstlerpersönlichkeit. Oder war er innerlich gehemmt? Auf jeden Fall taute Hampson erst nach der Pause so richtig auf für den schon erwarteten Kontakt mit dem Publikum.
Die Sympathien hat er damit rasch gewonnen. Für alles, für seine erinnerlich von einst glanzvolle Stimme, die als ein unverdeckter Schleier den Raum bedeckte wie eine klassische Klangwolke. Sein grandioser Begleiter am Klavier Wolfram Rieger debütierte in Linz so beeindruckend, dass man ihn sich merken müssen wird. Der Applaus für den Abend – ein großes Dankeschön.
Von Georgina Szeless