Wieso das Rad neu erfinden, wenn es vor knapp 30 Jahren so gut funktioniert hat? Mit „Twisters“ startet eine lose Fortsetzung des Katastrophenfilmklassikers „Twister“ von 1996 in die Kinos. Die Zutaten sind erneut verheerende Wirbelstürme, draufgängerische Tornadojäger und zahlreiche Kleinstädte des Mittleren Westens, die dem Erdboden gleich gemacht werden. Was nach typischem Popcornkino klingt, ist genau das: Kaum nachhaltig, aber kurzweilig und spannend.
Wobei man in erster Linie Regisseur Lee Isaac Chung dafür danken muss, dass er seine Figuren und die zugegebenermaßen etwas hanebüchene Geschichte von Anfang an ernst nimmt. Vor vier Jahren hat er mit dem leisen Familiendrama „Minari“ zwei Oscar-Nominierungen eingeheimst, nun wagt er den Schritt vom Indie- zum Blockbustersektor und ist sich dessen durchaus bewusst. „Der Film verkörpert genau das, was mich diese Herausforderung annehmen ließ: Ich wollte auf meine Ängste zulaufen, und nicht weg von ihnen“, lässt er in einem Regiestatement wissen.
Experiment mit Folgen
Wieso Chung das so sieht, lässt sich schnell erahnen: Wetter- und Tornadoexpertin Kate (Daisy Edgar-Jones trägt den Film solide auf ihren Schultern) hat es sich schon in jungen Jahren zur Aufgabe gemacht, den Naturgefahren zu trotzen, sie gar zu zähmen. Als eines ihrer Experimente aber schreckliche Folgen hat, lässt sie Oklahoma und damit das unberechenbare Wetter hinter sich, um in New York ein neues Leben zu beginnen.
Bis sie die Vergangenheit in Form ihres alten Kollegen Javi (Anthony Ramos) wieder einholt. Er hat dank seiner Beziehungen zum Militär Zugang zu neuem Equipment, das die Analyse von Tornados revolutionieren könnte. Nach langem Zögern erklärt sich Kate bereit, ihm wieder zur Seite zu stehen.
Selbst ernannter Tornado-Wrangler
Zurück in der alten Heimat, begegnet sie nicht nur einem bestens ausgestatteten Forscherteam, sondern auch dem selbst ernannten Tornado-Wrangler Tyler Owens (Glen Powell wirkt wie einer Cowboy-Werbung entsprungen) und seiner Crew, die sich für die Abonnenten ihres YouTube-Kanals wortwörtlich ins Auge des Sturms begebenen. So kommt es, wie es kommen muss: Zwar entsteht ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden Gruppen, wer als Erster beim nächsten Wirbelsturm aufkreuzt, aber man kommt sich auch näher und versucht letztlich gemeinsam, die Situation für die lokale Bevölkerung zu verbessern.
Ganz amerikanischer Traum
Auf diesem Weg gibt es aber etliche Hindernisse zu überwinden. Und hier ist „Twisters“ ganz amerikanischer Traum, erzählt vom Mädchen von nebenan, das ihr Talent stets für das Gute einsetzen wollte, den zwielichtigen Machenschaften eines Immobilientycoons sowie dem großen Herzen eines vermeintlichen Hillbillys, der deutlich mehr zu bieten hat, als wie ein Wahnsinniger Raketen in einen Tornado abzufeuern. Garniert werden diese kleinen Charakterstudien mit Rodeobesuchen, einsamen, aber idyllischen Farmen und einem Soundtrack, der sich gekonnt zwischen melancholischem Folk und zupackendem Country und Südstaatenrock entlang hangelt, um die richtige Stimmung zu erzeugen.
Kritische Töne
Ein paar Verweise auf das Vorgängerwerk sind eher wie Easter Eggs platziert, als dass hier tatsächlich auf den von Jan de Bont inszenierten Film aufgebaut wird. Interessant ist zudem, dass durchaus kritische Töne angesichts von Klimaerwärmung und zunehmenden Extremwetterereignissen fallen, das Wörtchen Klimakrise aber tunlichst vermieden wird. Dafür scheint das Werk dann doch zu uramerikanisch angelegt zu sein, als dass man es sich deshalb mit einem guten Teil des Publikums verscherzen könnte. Stattdessen bietet „Twisters“ einfach solide Unterhaltung, die gerade für schwüle Sommerabende eine willkommene Abkühlung bieten könnte.
Von Christoph Griessner