Wie in einer „echten“ Ausstellung kann man entscheiden, wohin der Blick schweift, wohin die Füße einen treiben. Einzig, man ist nicht vor Ort, um großer Kunst von Schiele bis Warhol und Nitsch gegenüberzustehen.
Es wird nie etwas den Moment ersetzen, in dem Kunst wahrhaftig betrachtet wird; den Pinselstrichen mit den eigenen Augen folgen, die Aura eines Werkes fast atmen und Dimensionen begreifen. Aber es gibt Zeiten, in denen wir keine Wahl haben und auf Abbilder zurückgreifen müssen. So eine Zeit ist jetzt.
Weltweite Netz-Schauen
Viele Museen weltweit lassen sich ihre Besucher auch nicht nehmen, wenn diese die Häuser von New York über Bilbao, London bis Linz nicht betreten dürfen. Sie laden sie virtuell ein und machen einen Kunstgenuss möglich, der sich sehr von dem „echten“unterscheidet, aber auf der anderen Seite eine wirklich gute Alternative bietet und durchaus auch Möglichkeiten, die sich vor Ort nicht ergeben. Lässt man sich auf einen der vielen Rundgänge ein, sollte man nicht nach den natürlich eklatanten Unterschieden suchen, sondern sich einlassen auf diese andere Art, Kunst nahe zu kommen.
Virtuell durch Linzer Häuser
Eines der Museen, die virtuell begehbar gemacht worden sind — in diesem Fall vom Start-Up qapture — ist das Linzer Kunstmuseum Lentos. Zwei Ausstellungen, die aktuelle Hängung der Sammlung und „Pawel Althamer Cosmic Order“ können online besucht werden. Zugegeben, wer nicht ganz firm ist mit dem Bewegen im virtuellen Raum wird ein bisschen Zeit benötigen, um sich zu orientieren und mit Maus oder den Pfeiltasten auf der Tastatur seinen Weg zu finden. Aber Geduld und Mühen lohnen sich und die Help-Funktion bzw. praktische Überblicksmöglichkeiten helfen.
Am Anfang der Sammlung gibt Lentos-Direktion Hemma Schmutz in einem Videobeitrag einen Überblick. Vom Impressionismus des 19. Jahrhunderts geht es über den Expressionismus, die Neue Sachlichkeit zur Malerei der 40er-Jahre, zur Avantgarde bis zur wilden Malerei der 80er und der Gegenwartskunst ganz junger Künstler. Das bietet die Schau — einen chronologischen Überblick der Kunstgeschichte und selten kann man sich soviel Zeit nehmen, um sich auf die Werke einzulassen und selbst zu dem einen oder anderen Künstler weiter zu forschen. Manche Werke sind mit Videobeiträgen kommentiert. Den Sammlungsbeständen des Lentos kann online auch Stück für Stück auf den Grund gegangen werden.
Bei Pawel Althamerfunktioniert diese Online-Schau ausgesprochen gut. Seine Installation wird in ihrer Größe ebenso greifbar, wie sie im Detail von ganz nahe betrachtet werden kann. Es gibt auch ein aufschlussreiches Interview mit dem polnischen Künstler auf Englisch. Mit dem verwendeten Schlamm spielen, wie es Althamer ausdrücklich erlaubt, kann man zwar online nicht, die Lust, die Kunst — hoffentlich bald wieder — „in echt“ zu sehen, wird riesig. Aktuell ist man übrigens dabei, die Sonderausstellung „Jakob Lena Knebl“ zu digitalisieren, Mitte nächster Woche wird sie virtuell zu besuchen sein. Dann ist das komplette Ausstellungprogramm im Netz zu bewundern.
Von der Straße ins Netz
Im Netz ist nun auch die quasi behauste Version des Linzer Mural Harbor. Überdimensionale Wandgemälde im Hafen haben ihre Pendants im M.A.Z. Museum auf Zeit in der Industriezeile — und jetzt eben online. Auch hier kann via Internet gustiert und betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht Urban Art, Street Art, Graffiti. Wer schon online im Lentos geübt hat, kann sich hier dann wie ein Profi durch die Räumlichkeiten auf zwei Stockwerken treiben lassen, komprimierte 2500 Quadratmeter. Die Werke von Lushsux (Australien), Ndzw (Polen), Skirl (Österreich), Kaisy & Grint (Slowakei), Dais (Dänemark), Lunar (Kroatien), die allesamt bereits Wände im Linzer Hafen gestaltet haben, sind nicht nur grandiose Kunst sondern auch hervorragende Unterhalter. Zudem ist die Sonderausstellung „Kunst, Krimi & Kommerz“ von Mein Lieber Prost (Indonesien) zu sehen.
Lentos, Mural Harbor und andere Kulturangebote in Linz auf: innovationshauptplatz.linz.at