Hape Kerkeling wird am 9. Dezember 60. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erzählt er, wie er um ein Haar Heilpraktiker geworden wäre, macht sich Gedanken darüber, wie die Sache mit Königin Beatrix auch hätte enden können – und enthüllt, dass ein DNA-Test endgültigen Aufschluss über seine Verwandtschaft mit dem britischen Königshaus liefern soll.
Frage: Herr Kerkeling, die ARD bedenkt Sie zu Ihrem 60. Geburtstag am 9. Dezember mit einem Thementag inklusive Podcast und einer 90-minütigen Doku. Wie war das für Sie, Ihr Leben von den beiden Autoren André Schäfer und Eric Friedler in Spielfilmlänge aufbereitet zu sehen?
Antwort: Ich war natürlich sehr gespannt, was die beiden daraus machen würden und bin mehr als positiv überrascht von dem Ergebnis. Ich lerne mich da selbst noch einmal neu kennen, denn wenn man von einem anderen in den Blick genommen wird, ist das etwas ganz Anderes.
Frage: Die Dokumentation zeigt einmal mehr, wie früh Ihre Karriere begann – mit 19 Jahren wurden Sie schon berühmt. Wie sehen Sie das im Rückblick?
Antwort: Ich bin damals schon recht unvorbereitet in diese ziemlich große Karriere hineingerutscht. Nach einem sehr kurzen Casting wurde ich ausgewählt als derjenige, der für die ARD die Nachfolgesendung von „Bananas“ beim WDR, nämlich „Känguru“, präsentieren sollte. Und das war schon ein Start von 0 auf 100 – ohne jegliche Bühnenerfahrung. Ich war vorher aufgetreten im Zusammenhang mit Schulaufführungen oder hatte mal kleinere Auftritte bei Talentwettbewerben mit 50 Zuschauern absolviert. Und dann plötzlich die Showbühne der ARD. Im Rückblick muss ich sagen: Dass das gutgegangen ist, ist erstaunlich, denn mir fehlte es einfach an Erfahrung. Als ich dann beim WDR nach zwei Jahren rausflog, habe ich mir auf Schützenfesten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen erstmal meine Sporen verdienen müssen. Möchte ich nie mehr wieder machen, war aber eine gute Schule. Und eigentlich habe ich erst da das Handwerk von der Pike auf gelernt, sodass ich später gestählt war für weitere Fernsehproduktionen.
Frage: Seitdem ist Ihnen der Erfolg immer treu geblieben – abgesehen von einer kurzen Durststrecke Ende der 90er-Jahre. Stimmt es, dass Sie damals auf Heilpraktiker umschulen wollten?
Antwort: Ja, und es ist im Nachhinein ärgerlich, dass ich den Abschluss nicht gemacht habe. Ich habe mich an dieser Schule auch sehr wohlgefühlt. Das Wissen, das ich mir da aneignen konnte, war schon toll. Viel ist davon jetzt leider nicht mehr übrig geblieben, obwohl ich seitdem natürlich zu Hause alles besser weiß auf dem Gebiet.
Frage: Ihr größter Kult-Moment gelang Ihnen, als Sie 1991 als Königin Beatrix verkleidet vor Schloss Bellevue vorfuhren und tatsächlich auf das Gelände gelassen wurden. Günther Jauch sagt in der Doku, dass das durchaus eine „richtig heftige Nummer“ gewesen sei – sprich: Das hätte auch ganz anders ausgehen können.
Antwort: Das zeigt ja auch die Größe der damaligen Bundesrepublik, dass man das eben nicht so eng gesehen hat. Heute wäre das vermutlich anders.
Frage: Sie selbst – sagt Ihre damalige Redakteurin Birgit Reckmeyer – fanden die Beatrix-Nummer gar nicht komisch.
Antwort: Ich fand das nicht komisch. Ich finde es sowieso selten komisch, wenn ich selbst agiere. Ich finde meine Partner komisch, mit denen ich zusammenspiele. Aber dass ich mich selber komisch finde, das kommt eher nicht vor. Und gerade das hier fand ich nicht witzig. Ich hatte das ja erlebt in der ersten Person und dachte: „Lecker Mittagessen“ – ja, und jetzt? Ich bin halt nicht reingekommen ins Schloss Bellevue. Mir ist erst durch den Blick der Zuschauer auf das Stück klar geworden, was uns da eigentlich gelungen ist.
Frage: Ein Höhepunkt Ihres Schaffens ist die bitterböse Mediensatire „Kein Pardon“ von 1993. Viele waren damals überrascht, dass sich der „Blaue Bock“-Moderator Heinz Schenk darauf einließ, den cholerischen Showmaster Heinz Wäscher zu verkörpern.
Antwort: Als wir damals das Drehbuch geschrieben haben, konnte ich mir immer nur Heinz Schenk in dieser Rolle vorstellen. Und wenn wir es uns selber gegenseitig vorgespielt haben als Drehbuchautoren, dann immer in diesem Heinz-Schenk-Slang. Als wir dann das Buch abschicken wollten, hat der Produzent vorgeschlagen, dass wir die Stellen, die besonders schlimm sind – wo er in einen Eimer spuckt oder einer Tänzerin an den Busen fasst – dass wir all das erst mal rausnehmen und ihm nur eine abgemilderte Fassung zuschicken. Da habe ich dann aber gesagt: Nee, wir schicken es ihm so, wie es ist, und ich wette, er macht’s, weil es für ihn eine tolle Rolle ist. Dann hat es keine 24 Stunden gedauert, nachdem wir ihm das Buch geschickt hatten, da rief er mich an und sagte: Das ist die Rolle meines Lebens. Natürlich spiele ich das. Und ich dachte: Bingo – das ist die absolute Krönung. Ich bin heute noch glücklich darüber, dass er es gemacht hat.
Frage: Ihre berühmteste Figur ist Horst Schlämmer. Vor einiger Zeit hatten Sie gesagt, den könne man sich in der heutigen Zeit kaum noch vorstellen – aber jetzt kommt er doch in einem Kinofilm zurück.
Antwort: Gerade das ist ja das Reizvolle. Gerade das hat uns dazu veranlasst zu sagen: Jetzt schicken wir ihn nochmal los. Denn machen wir uns nichts vor, diese Horst Schlämmers laufen ja immer noch rum. Die sind ja nicht verschwunden, nur weil wir sie nicht haben wollen.
Frage: Das Merkwürdige ist ja: Einerseits fühlt man sich von diesem Schmieren-Reporter abgestoßen, andererseits liebt man ihn. Was ist sein Geheimnis?
Antwort: Ich glaube, es ist die Stimme. Dieses Sonore, Weihnachtsmannartige. Er hat mit dem Weihnachtsmann das selbstbewusste Auftreten gemein, aber auch das Leicht-angetrunken-Sein, die roten Wangen und die Nase.
Frage: Sie haben gesagt, dass Sie schon früh wussten, dass Sie sich mit 50 aus dem Fernsehgeschäft zurückziehen wollten. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Projekte heute aus?
Antwort: Es geht mir vor allem darum, mich künstlerisch so frei wie möglich ausdrücken zu können, und da ist natürlich die beste Möglichkeit das Schreiben. Nichts geht über das Schreiben, ehrlich gesagt. Aber natürlich auch, den Horst Schlämmer zu mimen und andere Charaktere, das ist auch eine große Freiheit. In so einer Show ist man immer eingebunden in ein größeres System, von dem immer auch andere Menschen abhängen, und das war mir am Ende zu wenig gestalterische Freiheit. Und deshalb habe ich genau diesen Punkt aufgegeben. Alles andere mache ich ja weiter.
Frage: In Ihrem neuen Buch berichten Sie unter anderem, dass Sie ein Enkel des britischen Königs Edward VII. sind. Gab es dazu schon Reaktionen?
Antwort: Ich habe sehr viele Reaktionen bekommen. Es gibt einige freundliche Menschen aus dem Hochadel, die sagen: Das wollen wir jetzt genauer wissen! Eine hochadelige Dame, die nicht genannt werden will, hat sich sogar bereit erklärt, einen Test machen zu lassen, um die DNA mit mir abzugleichen – ich halte Sie auf dem Laufenden. Das Ergebnis lässt noch auf sich warten.
Frage: In der Doku sagen Sie an einer Stelle, dass Sie Ihre persönliche Zukunft optimistisch einschätzen, aber bei der Zukunft der deutschen Demokratie wesentlich skeptischer sind. Können Sie das erläutern?
Antwort: Ich bin kein Historiker, kein Politologe, kein Soziologe, kein Wirtschaftswissenschaftler. Aber wenn ich mir die Sache einfach mal als Bürger so anschaue, dann muss ich doch erkennen, dass es Kräfte in diesem Land gibt, die die Demokratie beseitigen wollen, und diese Kräfte werden unterstützt von einigen sehr mächtigen Ländern, die ebenfalls alles dafür tun würden, um unsere Demokratie abzuräumen. Und wenn man das erkennt, dann muss die Konsequenz daraus doch sein, dass wir uns mit aller Macht dagegen stemmen müssen, sonst ist es um unsere freiheitliche Grundordnung bald geschehen. Ich kann nur jeden dazu auffordern, seine Stimme zu erheben.
ZUR PERSON: Hape Kerkeling, geboren 1964 in Recklinghausen, gehört seit Jahrzehnten zu Deutschlands beliebtesten Komikern. Als Verwandlungskünstler schuf er Figuren wie den übergriffigen Reporter Horst Schlämmer, die prätentiöse Schlagersängerin Uschi Blum oder das Vorschulkind Hannilein. Daneben ist er Filmemacher („Kein Pardon“), Moderator („Darüber lacht die Welt“) und Bestsellerautor („Ich bin dann mal weg“) – in dieser Kombination ist das einmalig.