Das 5. Konzert im Großen Abo des Brucknerhauses erwies sich am Dienstag weniger als eine vollmundig angekündigte „Apotheose des Tanzes“, denn als konsequente Umsetzung von Grundsätzen der historischen Aufführungspraxis. Das zur Zeit in Nordrhein-Westfalen residierende Mahler Kammerorchester, das 1997 als Nachfahre des Gustav Mahler Jugendorchesters entstanden ist, musizierte unter der Leitung von Maxim Emelyanychev sehr engagiert und natürlich hochprofessionell Mozarts Ballettmusik zu „Idomeneo“, Paul Hindemiths selten zu hörendes Ballett „Die vier Temperamente“ und Beethovens siebte Sinfonie.
Mozart und Beethoven erklangen — z.T. auf historischen Instrumenten — im Sinne der Aufführungspraxis geradlinig, kontrastreich und ziemlich forsch: Forte ist forte, Piano ist piano; Zwischentöne, feine instrumentale Charakteristik und Eleganz haben hier wenig Platz, tänzerische Leichtigkeit schon gar nicht. Vielmehr fühlte man sich da und dort an den Galopp der Kavallerie und das Getöse der Artillerie erinnert.
Hindemiths Ballettmusik hingegen ließ die Funktion der „Sandwich-Einlage“ in dieser Auslegung weit hinter sich; sie überzeugte im Zusammenspiel mit dem großartigen Pianisten Alexander Melnikov als authentisches, ideenreiches Werk und äußerst kunstvoll konstruierte Komposition. Ob sich die vier „klassischen“ Temperamente der griechischen Antike (melancholischer, sanguinischer, phlegmatischer und cholerischer Typus) darin charakterisiert finden, ist Ansichts- und Gefühlssache.
Alternative zu vertrauten Hör-Gewohnheiten
Insgesamt bot der Abend eine bemerkenswerte Alternative zu vertrauten Hör-Gewohnheiten. Dabei spielte nicht nur das in „klassischer“ Besetzung auftretende Orchester, sondern auch der unkonventionell agierende Dirigent die Hauptrolle: Er sieht sich vor allem als Teil des Orchesters und betritt das Podium immer gemeinsam mit den musizierenden Kolleginnen und Kollegen, um dann die Musik mit feurigen Tempi zu „entfachen“. Für seine dem „Originalklang“ angenäherte Interpretation und die intensive Spielweise des Orchesters gab es viel Applaus.
Von Paul Stepanek