Komödiantischer Volltreffer

Mozarts „Figaro“ wirbelt durchs Musiktheater in Linz

Mozarts komische Oper „Die Hochzeit des Figaro“ fußt auf dem legendären Drama „Der tolle Tag“, Beaumarchais‘ scharfer Satire auf den dekadenten Adel in den letzten Jahren vor der französischen Revolution.

Die fintenreiche Geschichte vom schlauen Figaro, der seinen Dienstgeber, den nach seiner Braut lüsternen Grafen Almaviva, auszutricksen versucht, hat einen überreichen Inszenierungshintergrund; er wird vom bloßen, von amourösen Verwicklungen angetriebenen Schwank dominiert.

Erst in jüngster Zeit besinnen sich Regisseure wieder auf politische Motive der vorrevolutionären Situation in mitunter recht drastischer Wahl der Mittel.

Francois De Carpentries, Inszenator des aktuellen „Figaro“, der am Samstag im Musiktheater Linz eine bejubelte Premiere erlebte, wählte einen Mittelweg: Die turbulente, bisweilen ausufernde Farce wird von in ihrer Intensität wachsenden Signalen der bevorstehenden Revolution wie Kokarde, Jakobinermütze begleitet; auch Anspielungen auf die aktuellen Demonstrationen „für Freiheit“ dürfen nicht fehlen.

Doch der blutige Ernst bleibt ausgespart, selbst die provokante Hintergrund-Aktion der Schlussszene wirkt eher als Faschingsumzug denn als Fanal.

Karine Van Hercke hat ebenso klug wie fantasievoll Kostüme und Bühnenbild entworfen; letzteres wird von mehr oder weniger kaputten Zifferblättern beherrscht, die recht eindringlich zeigen, wie oft schon eine herrschende Clique übersehen hat, dass ihre Zeit abgelaufen ist.

Die Krone des Treibens gebührt Mozarts Musik

Dies alles ist sehr eindrucksvoll, doch die Krone des bunten Treibens gebührt Mozarts genialer Musik und ihren Dienern: dem hervorragenden Bruckner Orchester und seinem Chef Markus Poschner.

Es ist eine wahre Freude, zu hören und zu sehen, wie da jedes Detail, jede Phrase, das Geschehen verdeutlichend geformt und gestaltet wird. Das hohe Niveau noch toppend: die Holzbläsergruppe, vor allem das Solofagott, und das elegant bis schelmisch phrasierende Continuo.

Gleiches gilt für die Sängerinnen und Sänger, die bei voller Konzentration Freude am Spaß und an der stimmlichen Entfaltung haben. Martin Achrainer gibt exemplarisch den Grafen, Erika Eloff steht ihm in Stimme und Spiel um nichts nach. Der Figaro Adam Kims hat die Fäden zumeist in der Hand; sein Spiel übertrifft noch seine Stimme, was auch für Fenja Lukas‘ quirlige Susanne gilt, die freilich in ihrer Schlussarie glänzt.

Anna Alás i Jové singt den Cherubino wunderbar, ist aber als irrlichternde „Amorette“ zu mancher Outrage angehalten. Etelka Sellei setzt als Barbarina hübsche Akzente, ihr Vater Antonio (Tomaz Kovacic) poltert angemessen über die Bühne; komödiantische Highlights liefern Michael Wagner (Bartolo), Matthäus Schmidlechner (Basilio und Don Curzio) und Gotho Griesmeier (Marcellina). Ganz unverzichtbar: Die stimmlichen und szenischen Leistungen des von Elena Pierini bestens einstudierten Theaterchors. Großer Applaus für alle Mitwirkenden.

Von Paul Stepanek

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