Künftiger Bruckneruni-Rektor hängt nicht am Ruhm

Martin Rummel, designierter Rektor der Bruckneruni, über Schubladendenken, Internationalisierung und Genuss

VOLKSBLATT: Herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe. Mit welchen Qualitäten haben Sie sich gegen die anderen Bewerber durchgesetzt?

MARTIN RUMMEL: Ich glaube, dass mein Blick auf die internationale Ausbildungslandschaft und die Kunst- und Kulturlandschaft da ein positiver Punkt war. Ich habe durch verschiedene Aufgaben in Asien oder Amerika mitgekriegt, wo sich die Curricula und die Berufsmöglichkeiten für Absolventen weltweit hinbewegen. Auch durch mein duales Leben als ausübender Künstler und Pädagoge und andererseits als Manager bringe ich eine gewisse Vorerfahrung mit.

Haben Sie den Lockdown für künstlerische Aktivitäten nutzen können?

Dadurch, dass ich nicht nur hauptberuflich Cello spiele, hat mich das nicht so hart getroffen. Ich habe Aufnahmen und Ausgaben gemacht und einige wenige Streamingkonzerte gegeben. Eines aus dem Stephansdom in Wien, das war grandios, eine sehr besondere Erfahrung, in der leeren Kirche zu spielen. Fad war mir also nicht.

Was war für Sie der Anreiz dafür, sich an Ihrer alten Uni zu bewerben?

Natürlich steckt da auch Emotion dahinter. Es sind fast auf den Monat genau 30 Jahre, dass ich dort abgeschlossen habe. Ich hab von dort als Jugendlicher so viel mitgenommen — ich habe ja dann an der Kölner Musikhochschule studiert, die als eine der führenden Musikhochschulen im deutschsprachigen Raum galt — und was ich bei den Herren Waldeck, Bosch und Co. gelernt habe, das hat sich nicht verstecken müssen. Ich bin da mit wirklich gutem Rüstzeug hingekommen und das vergisst man ja nicht. Das ist einfach eine schöne Aufgabe, es gibt ein grandioses neues Haus — ein Vorteil gegenüber ganz vielen anderen Hochschulen —, das ist eine gute Schule. Ein Aspekt war es auch, etwas zurückzugeben, nach Hause zu kommen.

Sie haben also beschlossen, sesshaft zu werden? Wird es Ihnen nicht fehlen, auf Tour zu sein?

Ja, natürlich, auch das spielt eine Rolle. Meine Position in Neuseeland habe ich aufgegeben, weil ich nach viereinhalb Jahren wieder nach Europa wollte. Ich gehe jetzt auf die 50 zu, da will man dann auch nicht mehr ständig durch die Welt jetten, sondern auch irgendwo stabiler sitzen an einem längerfristigen Projekt. Freilich wird es mir auch fehlen, auf Tour zu sein.

Bedeutet das Amt des Rektors an der Linzer Bruckneruni eine Zäsur in Ihrem Leben? Vom Musiker hin zum Kulturmanager?

Ich hoffe natürlich nicht, dass ich das Cellospielen aufgeben muss und werde. Natürlich ist das auch eine weitere Manifestation dieser Karriereentwicklung der letzten zehn Jahre hin zu Leitungsfunktionen. Ich tu mir schwer, das zu trennen.

Betrachten Sie es als Lebensaufgabe, junge Menschen zu Spitzenmusikern auszubilden?

Wenn man das Glück hat, mit guten Lehrern gearbeitet zu haben und etwas mitbekommen hat, dann hat man auch eine Verpflichtung, das weiterzugeben. Ein Teil davon ist es, jungen Leuten in den Beruf hinein zu helfen, ihnen den Weg aufzuzeigen, den sie vielleicht gehen können. Das ist gerade in der Kunst wichtig, wo es so auf individuelle Begabungen, Fähigkeiten und Stärken ankommt und viel Selbstfindung nötig ist.

Ihre Mutter rief die Stiftung „Instrumente für Talente“ ins Leben: Hat sie Sie dazu inspiriert, auch selbst tätig zu werden?

Die Idee kam, weil ich während meines Studiums von einer deutschen Stiftung ein Instrument gekriegt habe. Meine Mutter hat gemeint, das müsste es auch hier geben. Mit Hilfe des damaligen Landeshauptmannes Josef Pühringer und des Kulturbeirates hat sie einiges zustande gebracht, das war mehreren jungen Leuten wie Gundula Leitner oder Florian Eggner, die Karriere gemacht haben eine Hilfe. Auch mein Vater war als Universitätspädagoge tätig. Ich habe das als Wert von zuhause mitgekriegt.

Haben Sie die Entwicklungen an der Bruckneruni seit Ihrer eigenen Ausbildungszeit verfolgt?

Natürlich habe ich das immer mit Interesse verfolgt. Ich glaube, gut zu wissen, was dort angeboten wird. Ich glaube auch, den Kontext gut zu kennen: Wo steht die Uni im Vergleich zu Salzburg und Wien, was sind die Stärken und was sind vielleicht auch Dinge, wo man weiterdenken und ergänzen könnte.

Welche Schwerpunkte planen Sie, an Ihrer neuen Wirkungsstätte zu setzen?

Jetzt gilt es einmal, die Punkte, die aus der Akkreditierung gekommen sind, abzuarbeiten. Ich möchte das Haus mit einer individuellen Position in einem nationalen und internationalen Zusammenhang in Stellung bringen. In Sachen Forschung und Wissenschaft ist mir Artistic Research wichtig, aber auch wissenschaftlich Verbindungen zu schaffen, die interdisziplinär mit Musik zu tun haben. Und dann gibt es eine ganz lange Liste von kleinen Dingen …

Glauben Sie, dass der Output an Spitzenkünstlern der Bruckneruni den Vorstellungen entspricht, adäquat ist im Verhältnis zum Aufwand?

Wie viele Weltstars kriegt man für 18 Millionen Euro Budget? Es geht nicht nur um die beiden Leuchttürme. Letztlich misst sich die Qualität der Uni an den Gesamtabsolventen. Ich finde es problematisch, Erfolg nur an Ruhm festzumachen. Natürlich ist es wichtig, dass eine Uni Botschafter mit internationaler Strahlkraft hat, aber das macht ja nicht die Qualität von Forschung und Lehre dort aus. Das ist ein Zeichen davon. Ein grandioses Zeichen der Bruckneruni ist die Quote der Absolventen, die im Landesmusikschulwerk arbeiten. Diese Verankerung muss eine Uni erst einmal zusammenbringen. Ein anderer Faktor sind internationale Kooperationen, Forschungsprojekte. Es geht auch darum, ein externes Förderprogramm hinzubekommen, Gelder zu akquirieren. Es ist ein Konglomerat aus Erfolgen, das Qualität messbar macht.

Sie sind ja auch für Popularmusik und Jazz sehr offen, wird es da Intensivierungen geben?

Das würde mich sehr freuen. Die Schubladisierung in ein bestimmtes Genre ist eine der zentralen Fragen in der Musikausbildung. Die beginnt jetzt doch international schon sehr stark zu bröckeln. Jemand, der Popmusik studiert hat, sollte auch etwas mit einem Generalbass anfangen können. Das lassen die Ausbildungssysteme noch nicht genügend zu. Dass „Klassiker“ per se nicht Improvisieren lernen, das sind sehr generalisierte Dinge. Ich bin dafür, dass es selbstverständlich wird, dass jeder klassische Musiker zumindest auch die Grundzüge eines anderen Genres beherrscht. Der Herr Poschner ist dafür ein Beispiel und als klassischer Dirigent auch eine Ausnahme: Das ist ein toller Jazzpianist.

Wie ist Ihre Meinung zu Kooperationen mit dem Landesmusikschulwerk in OÖ? Gibt es zu viele Musikschulen oder zu wenig …

Es kann nie zu viele Musikschulen geben. Die Qualität des oö. Musikschulwerkes ist ja unantastbar in der Hinsicht. Da wird grandiose Arbeit gemacht seit ganz vielen Jahrzehnten. Jugendwettbewerbe werden in ganz hoher Zahl von oö. Schülern gewonnen, da muss man ja nicht drüber diskutieren, ob das gut ist oder nicht, das steht außer Frage. Diesen pädagogischen Schwerpunkt, den die Bruckneruni hat, den halte ich — auch wenn er schon 50 Jahre alt ist — für hochmodern, weil der Musikunterricht in Schulen immer weniger Bedeutung hat. Das ist eine ganz starke Säule, an der man auf keinen Fall kratzen darf.

Sie schreiben auf Ihrer Homepage: „Die große Aufgabe für die nächste Generation ist es, endlich den Frack wegzuschmeißen und sich wieder mehr damit zu beschäftigen, was und wie gespielt wird anstatt wer und wo.“ Ist Ihnen Starrummel, der heute vielerorts — etwa bei den Salzburger Festspielen — um manche Leute betrieben wird, zuwider?

Ich finde es schade, dass so viel daran gemessen wird. Qualität wird mit Ruhm gleichgesetzt, das halte ich für unsinnig. Damit werden auch Barrieren geschaffen und darunter leidet letztlich die Musik.

Sie betrachten sich selbst als Genussmensch …

Es gibt den Spruch „Never trust a musician who doesn’t like to eat“. Musikmachen bedeutet auch eine Form von Genuss und wenn man im Leben nicht genießen kann, dann tut man sich auch mit Genießen von Kunst schwer.

Mit MARTIN RUMMEL sprach Melanie Wagenhofer

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