Der Gesamteindruck der Premiere von Giacomo Puccinis berühmter Oper „Madame Butterfly“ fühlte sich am Samstag im Linzer Musiktheater an wie ein Ergebnis aus der Welt des Sports: Sängerinnen und Sänger sowie Dirigent und Orchester gewannen gegen die Inszenierung 2:1.
Wie das? Die Oper an sich lebt in erster Linie von der Qualität der Musik und deren Interpretation sowie von Harmonie zwischen Musik, Text und Darstellung des Geschehens. Das Ambiente der Handlung unterstützt im optimalen Fall diese Harmonie oder stört diese zumindest nicht, indem sie einen gedanklichen Freiraum schafft.
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Die aktuelle Butterfly-Inszenierung des Musiktheaters durch Isabel Ostermann folgt diesen Maximen nur in geringem Maß. Es scheint so, als sei dem Stück eine von „Wokeness“ inspirierte Aussage aufgezwungen worden.
Die blutjunge Geisha Cio-Cio-San, genannt „Butterfly“, heiratet den amerikanischen Marine-Offizier Pinkerton gegen alle Widerstände, wird von ihm verlassen, und zieht gemeinsam mit ihrer Dienerin Suzuki Pinkertons Sohn auf.
Die Inszenierung dieser Geschichte klammert die in der Musik präsenten „Japonismen“ optisch weitgehend aus und ersetzt sie durch Beliebiges (Kostüme: Judith Burkhardt). Die Bühne Sabine Maders bleibt im Rahmen neutral, wartet allerdings mit rätselhafter Ausstattung auf.
Als Knackpunkt des Unverständnisses entpuppt sich die Rolle des Sohnes von Cio-Cio-San: Pinkerton kehrt nach drei Jahren zurück und findet seinen Sohn als leicht behinderten Teenager vor, der freilich laut Libretto höchstens drei Jahre alt sein kann. Auch diese Figur ist ein lebendes Rätsel, beeinflusst aber das Ende der Geschichte massiv. Pinkerton entzieht sich der Verantwortung durch Flucht, sein Sohn jedoch verhindert den Selbstmord seiner völlig gebrochenen Mutter. Ein „Open-End“ also, dem die Musik deutlich widerspricht.
Die musikalische Gestaltung durch das ausgezeichnete Bruckner Orchester und des Eleganz, Feinfühligkeit und Temperament gleichermaßen ausstrahlenden Gastdirigenten Patrick Lange ist freilich ein höchst positives Element im Gesamteindruck der Inszenierung genauso wie die durchwegs respektablen bis hervorragenden Leistungen des Bühnen-Ensembles.
Joanna Zawartko macht mit ihrer ausdrucks- und wandlungsreichen Stimme die Titelrolle zur vielbejubelten Sensation; Angela Simkin erreicht als Suzuki mit ihrem edel timbrierten Mezzosopran überzeugende Wirkung ebenso wie der höhensichere Tenor Carlos Cardoso (Pinkerton) und der differenziert singende und spielende Adam Kim als Konsul Sharpless.
Auch die „Nebenrollen“ sind mit Christian Drescher (Goro), Alexander York (Yamadori), Tina J. Jaeger (Kate Pinkerton) und Yongcheol Kim (Bonze) sehr gut besetzt. Maximilian Fischer gibt dem Teenager recht eindrucksvoll Kontur. Wie immer sorgfältig von Elena Pierini und David Bernhard einstudiert: Chor und Extrachor des Landestheaters.
Das Publikum dankte für die musikalische Interpretation mit heftigem Applaus und Standing Ovations; das „Leading Team“ hingegen musste auch ein paar laute Buhs einstecken.
Von Paul Stepanek