Der 21. April 1945 ist für ältere Attnang-Puchheimer ein Tag, den sie niemals vergessen werden. Kurz vor Kriegsende regnete es Bomben vom Himmel, denen Hunderte Bewohner zum Opfer fielen.
Der Timelkamer Filmemacher Robert Breber hat eine berührende wie spannende Doku zwischen persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen und historischen Fakten gestaltet, die der Frage nachgeht, warum es gerade den damals 5600 Einwohner zählenden Ort so schwer getroffen hat.
Das Ergebnis „An einem Tag im April – Attnang-Puchheim im Bombenhagel“ ist am Samstag erstmals im TV zu sehen (22 Uhr, ORF III, Wiederholung SO, 11.4., 2.05 Uhr, ORF III).
Attnang-Puchheim war für die Nazis ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, über den Geheimunternehmen liefen, getarnte Waggons in einem Vorbahnhof ein- und ausfuhren. Bis zu 200 KZ-Häftlinge verrichteten dort täglich schwere Arbeiten.
Christbäume, die vom Himmel fielen
Was manche Bewohner anfangs für Christbäume hielten, die vom Himmel fielen, waren Aufklärungsfackeln, brennende Magnesiumstäbe an kleinen Fallschirmen, mit denen die US-Flieger nachts die Gegend erkundeten. „Die haben gefilmt, was dann zum Zusammenhauen war“, sagt ein Zeitzeuge.
Auch Angriffen von Tieffliegern, die Transportzüge beschossen, war man regelmäßig ausgesetzt. Eine Attnang-Puchheimerin erinnert sich, dass manche Flugzeuge so nahekamen, dass man dem Piloten in die Augen schauen konnte. Fast täglich heulten die Sirenen, man suchte oft Schutz in behelfsmäßig gegrabenen Luftschutzstollen.
Die Doku zeigt, wie Attnang exemplarisch für viele Orte in der Ostmark zur Zeit der Nationalsozialisten steht. „Das kann man auf andere Orte in der Provinz umlegen“, sagt Breber im VOLKSBLATT-Gespräch.
Die insgesamt 22 Zeitzeugen in der Doku erzählen davon, wie sie als Kinder zur Hitler-Jugend mussten, wie jemand im Ort sich als Nazi besonders hervortat, wie man Feindsender gehört habe, um über die Lage informiert zu sein, berichten von Ängsten, Not und Elend. Man habe nichts über KZler gewusst, so der eine, eine Frau erinnert sich daran, wie eine dieser abgemagerten, schwachen Gestalten von einem SSler erschlagen worden ist.
Wetter-Kapriolen und dasselbe Ziel
Und dann kam der besagte April-Tag, an dem es stundenlang aus unzähligen Flugzeugen mehr als 2300 Bomben auf den Ort regnete, 708 Menschen im Bombenhagel starben, der Ort bis auf die Grundfesten zerstört wurde. Warum war Attnang Zielscheibe eines der verheerendsten Luftangriffe im österreichischen Raum?
Ein Rätsel, das der in Attnang-Puchheim lebende Hobbyhistoriker Helmut Böhm, der am 21. April 1945 selbst nur knapp dem Tod entronnen ist, erst nach Jahrzehnten lösen konnte, nachdem er Einsicht in Akten der US-Amerikaner erhalten hatte, die lange unter Verschluss gewesen waren.
Wetterkapriolen hatten dafür gesorgt, dass die von Italien aus gegen die vermeintliche „Alpen-Festung“ agierende US-Fliegerstaffel Attnang-Puchheim als drittes Ziel ersatzweise ins Visier genommen hat. Rein zufällig war zur gleichen Zeit eine weitere Staffel der Amis von Belgien und Frankreich aus an denselben Ort geschickt worden. Die Fliegerstaffeln wussten voneinander nichts.
Zum Vergleich: Bei einem Angriff auf Linz gingen 400 Tonnen Bomben-Material auf die Stadt nieder, in Attnang-Puchheim waren es 649 Tonnen. Es habe in Relation zur Bevölkerungszahl nirgends so viele Tote gegeben wie bei dem Angriff auf Attnang, sagt Breber: „Das alles war eine Verkettung von sehr schlimmen Umständen. Vierzehn Tage vor Kriegsende wäre so ein Angriff auch nicht mehr notwendig gewesen. Dazu kommt die Tragik, dass der Voralarm in Attnang-Puchheim nicht funktioniert hat. Manche sagen, das ist fast wie Dresden.“
Auf Dresden flogen die Alliierten im Februar 45 einen der schwersten Luftangriffe auf eine Stadt im Zweiten Weltkrieg. Das Bombardement von Attnang-Puchheim wurde von den Amerikanern mitgefilmt, Breber hat das Material in Washington ausheben und neu digitalisieren lassen. Amateur-Farbfilme, die Breber im Zuge der Recherchen gefunden hat, zeigen am Schluss den Wiederaufbau: Attnang-Puchheim, das heute den Phönix in seinem Wappen trägt, hat sich nach dem Krieg aus der Asche erhoben.
Von Melanie Wagenhofer