Allzu viel verrät die Bibel nicht über Maria, die nach christlicher Überlieferung Jesus, den Sohn Gottes, geboren hat. Umso mehr Raum bleibt fürs Interpretieren, fürs Ausschmücken. Die katholische Kirche hat Maria vielfach verklärt. Die Maria, die der Streaminganbieter Netflix nun in einem neuen Film zeigt, hat damit wenig zu tun.
Regisseur D.J. Caruso erzählt die Geburt Jesu als Coming-of-Age-Geschichte. Aus dem unbeschwerten Mädchen Maria aus Nazareth wird die Mutter des Messias. Drehbuch (Timothy Michael Hayes) und Regie nehmen sich allerhand künstlerische Freiheit, bedienen sich bei apokryphen Schriften, die zwar über Jesus und seine Zeit erzählen, es aber nicht in den offiziellen Kanon der Kirchen geschafft haben. Aber es ist ja Fiktion, keine Doku.
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Die Schmach des unehelichen Kindes
Bedeutungsschwere Musik, die Ahnung, dass in ihr etwas Großes schlummert – doch es ist nicht so, dass Maria (Noa Cohen) in traumwandlerischer Sicherheit ihrem Schicksal entgegengeht. Sie zweifelt. „Und mir hast du nichts zu sagen?“, fragt sie Gott anklagend.
Doch dann, als der Engel ihr verkündet, dass sie einen Sohn namens Jesus bekommen werde, hat sie keine Zweifel mehr: „Lass es mich sein“, sagt sie entschlossen. Obwohl ein uneheliches Kind nach Lesart des Films Schmach bis hin zum Tod bedeutet. Die Sache mit der unbefleckten Empfängnis ist ja bis in die Gegenwart hinein umstritten.
Als „Tempel-Hure“ wird sie beschimpft, mit beschmutzten Wangen liegt sie im Dreck, einem Mob ausgeliefert. Strahlende Königin auf barocken Kirchengemälden? Mitnichten.
Anthony Hopkins als Herodes
„Du bist stärker, als du weißt“, sagt ihre Mutter Anna. „Du bist das Gefäß des Versprechens.“ Josef (Ido Tako) heiratet Maria trotzdem. Ein bisschen Romantik muss ja auch sein, auch wenn Josefs Motive blass bleiben und es den Erzengel Gabriel quasi als Beziehungsstifter braucht.
Eingebettet ist der Bibelfilm „Maria“ in die politischen Spannungen zwischen römischen Besatzern und einheimischer Bevölkerung, aber auch in die religiösen Spannungen innerhalb des Judentums.
Der zweifache Oscarpreisträger Anthony Hopkins („Das Schweigen der Lämmer“) ist in der Rolle des König Herodes zu sehen – ein machthungriger, egoistischer, verrückter Herrscher von römischen Gnaden, ein Gegenspieler des göttlichen Heilsplans: einer, der vom Messias hört und deshalb alle männlichen Neugeborenen in Bethlehem töten lässt. Es sind brutale Szenen.
Am Schluss steht Maria mit Jesus im Arm im Tempel, die Häscher des Herodes haben dem Kind und ihr nichts antun können. Ein Mantel ist ausgebreitet hinter ihr, ein Strahlen umgibt sie ein paar Sekunden lang. Und dann wären wir fast wieder bei der Muttergottes auf den katholischen Andachtsbildchen. Aber nur fast.
(Von Kathrin Zeilmann/dpa)