„Was ist denn da los?“ fragte sich das Publikum im gestopft vollen Brucknerhaus am Mittwoch bei der eigenen Konzertreihe des Bruckner Orchesters. Chefdirigent Markus Poschner ließ seine unmutigen Musiker von der Bühne gehen, bevor noch gespielt wurde.
Vom Fehlschlag zum Triumph
Dies geschah für den ersten Programmteil des Abends „Bruckner-Moment zur Dritten“, gedacht als Werkeinführung. Daraus wurde viel mehr. Eine Demonstration, wie es Bruckner im Dezember 1877 erging, als er sich und seine dritte Sinfonie in d-Moll in Wien vorstellte. Die wurde nämlich ein fürchterlicher Fehlschlag für ihn und das vermessene Wiener Publikum, das die Novität nicht verstanden hatte. Die Wiener Philharmoniker haben die Sinfonie abgelehnt, Papstkritiker Eduard Hanslick hatte nur verletzende Worte übrig für Bruckner, dessen ohnehin geringes Selbstvertrauen zutiefst erschüttert wurde.
Nun ja, Poschner beschrieb in seiner verlässlich funktionierenden Eloquenz aus Charme, Wissensfundus und Witz, wie sich Bruckner in Wien allmählich durchsetzen musste und sein Schmerzenskind ihn später mit seinem dort ersten gedruckten Werk in der Welt berühmt machte. Mit insgesamt drei Fassungen nach gründlichen Überarbeitungen, von denen ihm einst Freund Hermann Levi abgeraten hatte. So spielt man sie eben alle drei.
Poschner griff nach der Urfassung und wusste die Vorteile gegenüber der gewohnten durch beispielhafte Einschübe des Orchesters treffend herauszustreichen. Genau wo sie auffallen und warum sie Bruckner wählte, was er von seinem gefürchteten sinfonischen Idol Beethoven in Form von Zitaten aufgriff und welchen Einfluss sein „göttlicher“ Lohengrin-, Tristan- und Ring-Komponist in Bayreuth, Richard Wagner, seit 1863 auf sein Schaffen nehmen sollte. Dem ist die „Dritte“ auch gewidmet.
Der Avantgardist und Vorkämpfer neuer Techniken Bruckner benahm sich neugierig beim Komponieren, wollte lernen, dabei hätte er mit seiner Souveränität als eine Himmelsgabe seine Umgebung lehren können.
Viel Ausdrucksintensität
Das Rätselhafte, Mysteriengleiche hält an im Werkwunder Bruckners, Poschner zeigte es wieder in seinem gestalterischen Impetus. Wenn er wuchtige Steigerungsblöcke neben sanften, gerade in den längsten Sätzen berührend liedhaften Stellen wie ein Gebet deutet, eben dadurch Kontrasteffekte erzielt und die in ihrer Wirkung oft übergegangene Pausenzeichen beachtet, aus denen er viel Ausdrucksintensität schöpft.
Erzählte er doch, wie Bruckner die Kombinationen von Kirche und Wirtshaus oder eine plötzliche Polka im Satz einbaut oder in der Coda gar einen Jimmy Hendrix-Touch ahnen lässt, was unter Musikern gewitzelt wird. So amüsant machte uns Poschner diesmal die einst leidgeprüfte Sinfonie, die einen regelrechten Freudentaumel auslöste. Die Ereignisse häufen sich im Brucknerjahr. Ein solches muss einem Dirigenten erst einfallen.
Von Georgina Szeless