Maria Riva blickt selbst auf ein bewegtes Leben zurück – und doch ist sie für viele vor allem die Tochter von Marlene Dietrich. Das einzige Kind des deutschen Weltstars feiert am 13. Dezember in den USA seinen 100. Geburtstag. „Es geht ihr gut, sie ist geistig voll dabei und hat immer noch viel Humor“, sagt David Riva (63) im dpa-Interview, kurz vor dem runden Jubiläum seiner Mutter. Sie würde allerdings nicht mehr reisen oder Interviews geben.
Riva zog vier Söhne groß, der Älteste starb 2012. Seit kurzem kümmere sich sein Bruder Peter im US-Staat New Mexico um die gebürtige Berlinerin, davor habe Riva lange bei ihm in Los Angeles gelebt, erzählt Sohn David. Wird der 100. Geburtstag glanzvoll gefeiert? Das würden sie „eher ruhig“ angehen. Weder seine Großmutter noch seine Mutter hätten im Alter große Feiern gemocht.
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Marlene Dietrich schottete sich im höheren Alter ab
Maria Rivas berühmte Mutter selbst bekam im hohen Alter kaum jemand zu Gesicht, obwohl Marlene Dietrich (1901 – 1992) zu den bekanntesten Frauen ihres Jahrhunderts zählte. Sie war Sexsymbol, Schauspielerin („Der blaue Engel“, „Shanghai-Express“) und Sängerin („Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“), lebte aber völlig zurückgezogen in ihrer Pariser Wohnung.
„Sie liebte Paris und sie ging eigentlich gerne aus, aber sie hatte keine andere Wahl“, sagt David Riva über seine Großmutter. Um ihr lukratives Image als der Star Marlene Dietrich zu beschützen, habe sie sich als ältere Frau nicht mehr öffentlich gezeigt, erklärt der Enkel. Dietrich war 90 Jahre alt, als sie am 6. Mai 1992 in Paris starb.
Weltstar mit dem Spitznamen „Oma Massy“
David Riva hat viele Erinnerungen an die Zeiten mit seiner Familie und seine „Oma Massy“ – diesen Spitznamen verdanke sie ihrem Enkel Michael, der als Kleinkind den Namen Marlene nicht richtig aussprechen konnte. Am Ende hätten alle in der Familie sie Massy genannt, auch seine eigene Mutter, erzählt Riva. Als kleiner Bub sei es Davids Job gewesen, nach Dietrichs Auftritten der Diva einen Strauß Rosen auf die Bühne zu bringen.
Riva schwärmt auch von den Kochkünsten der Schauspielerin und Sängerin. Sie sei vor allem für ihre Suppen berühmt gewesen. Als Teenager in New York sei er von ihr als Bote mit selbst gekochter Suppe zu ihrem damaligen Liebhaber, Schauspieler Yul Brynner, geschickt worden. Als Hommage an seine Großmutter betreibt Riva heute in Los Angeles ein Catering-Geschäft. Unter dem Namen „Massy Soups“ liefert er Suppen nach den Lieblingsrezepten des Stars.
Gegnerin des Nationalsozialismus
Am 13. Dezember 1924 brachte Dietrich – eineinhalb Jahre nach ihrer Heirat mit dem Regieassistenten Rudolf Sieber – ihr einziges Kind, Maria Elisabeth Sieber, in Berlin zur Welt. Dass Maria Riva als Kind einer Filmikone aufwachsen würde, war da noch nicht klar. Dietrich wurde erst 1929 mit dem Film „Der blaue Engel“ von Josef von Sternberg auf einen Schlag berühmt – und dann schnell zum Weltstar.
Nach dem Umzug nach Hollywood nahm sie 1939 die US-Staatsbürgerschaft an. Während des Krieges sang sie in amerikanischer Uniform vor US-Soldaten an der Front. Als Gegnerin des Nationalsozialismus lehnte sie Filmangebote der Nazis konsequent ab. In seinem Doku-Film „Marlene Dietrich – Her Own Song“ (2002) rückte David Riva besonders die politische Mission seiner Großmutter im Zweiten Weltkrieg in den Mittelpunkt.
Maria Rivas schwierige Kindheit
Marlene Dietrichs große Karriere hatte für Tochter Maria Auswirkungen. Sie wuchs in Amerika als Einzelkind in einer Erwachsenenwelt auf. „Ich hatte eigentlich nie eine Mutter“, sagte sie 1992 in Berlin, als sie dort wenige Monate nach Dietrichs Tod ihr Buch „Meine Mutter Marlene“ vorstellte. „Ich wollte das Bild von der Göttin Marlene ein wenig ins rechte Licht rücken, also habe ich einfach die Wahrheit geschrieben“, sagte sie damals im dpa-Gespräch. „Ich durfte nicht zur Schule, ich hatte keine Freundinnen, durfte auf keine Party.“ Ständig wollte Marlene ihre kleine Tochter bei sich haben, das Bild der liebenden Mutter aufpolieren. „Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Hand meiner Mutter zu nehmen, mit ihr zu schmusen.“
Seine Mutter habe als Tochter eines Weltstars tatsächlich keine leichte Kindheit gehabt, sagt David Riva. Die harsche Kritik an Dietrich in ihrem Buch habe seine Mutter später aber bereut, meint Riva. Sie habe ihre Mutter wirklich bewundert und großen Respekt vor dem Talent und der Disziplin gehabt.
Umso liebevoller und fürsorglicher habe Maria Riva als Mutter dann ihn und seine drei Brüder aufgezogen. 1947 hatte sie den Bühnenbildner William Riva geheiratet. Sie selbst nahm Schauspielunterricht, nachdem sie als Kind bereits kleine Rollen spielte, etwa an der Seite ihrer Mutter in dem Historienfilm „Die scharlachrote Kaiserin“.
Die Tochter lebte für ihre berühmte Mutter
In den 1950er-Jahren wirkte Maria Riva in TV-Produktionen mit und trat im Theater auf. Doch schließlich habe seine Mutter ihren eigenen Beruf aufgegeben, um Marlenes Karriere und ihre Belange zu managen, sagt der Sohn.
Mit der Familie im Schlepptau seien sie quer durch Europa gezogen, von Show zu Show. In ihrer zweiten Karriere als Sängerin begeisterte die Schauspielerin mit rauchiger Stimme und Liedern wie „Sag mir, wo die Blumen sind“. In Las Vegas stand Dietrich bis Mitte der 70er-Jahre auf der Bühne.
„Sie hat den ganzen Tag telefoniert“
Riva erzählt von seltenen Besuchen bei der Diva, als diese sich bereits in ihre Pariser Luxuswohnung zurückgezogen hatte. Sie habe zur Außenwelt über sieben Telefonleitungen aber ständig Kontakt gehabt, sagt der Enkel. „Sie hat den ganzen Tag telefoniert. Die monatliche Rechnung betrug häufig mehr als 3.000 Dollar.“ Sie habe der Welt nur nicht mehr ihr Gesicht zeigen wollen.
Marlene Dietrich wurde im Mai 1992 in ihrer Geburtsstadt Berlin beigesetzt. Maria Riva wird die USA aber wohl nicht mehr verlassen, wie ihr Sohn sagt. „Sie möchte hier bleiben.“