Max Herre und Joy Denalane legen „Alles Liebe“ vor

Das Paar legt mit „Alles Liebe“ die erste gemeinsame Platte vor © APA/Sony Music/Oliver Helbig

Seit 25 Jahren prägen Soulsängerin Joy Denalane und Rapper Max Herre die deutsche Musiklandschaft. Was mit dem gemeinsamen Freundeskreis-Song „Mit Dir“ begonnen hat, wurde zu einer kreativen und auch privaten Partnerschaft. Nur auf ein kollaboratives Album musste man bis jetzt warten: „Alles Liebe“ umfasst unterschiedliche Sounds, aber vor allem auch verschiedene Vorstellungen von Liebe. „Wir wollten von uns ausgehen, ohne die anderen zu vergessen“, fasste es Herre zusammen.

Möglich wurde die Platte aufgrund einer ganz simplen Tatsache: „Es war der richtige Zeitpunkt, weil die Kinder aus dem Haus sind und wir das erste Mal wirklich die Freiheit haben, so lange im Studio oder sonst wo zu sein, wie wir wollen“, erzählte Denalane im APA-Gespräch. Zuvor hat sich das Paar stets abgewechselt, ergänzte Herre: „Einer war am Kampagne und Album machen, der andere hat Care-Work gemacht, wie man heute sagt. Das war jetzt weg. Eigentlich hatten wir zunächst vor zu reisen. Aber dann haben wir es mit einer Session probiert. Dabei sind in drei Tagen acht, neun Skizzen entstanden, die alle belastbar waren.“ Der Grundstein war also gelegt.

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Liebe in „ihrer Vielschichtigkeit beschreiben“

Mit „Alles Liebe“ hat sich das Paar, das mit Band Dienstagabend ein ausverkauftes Konzert in der Wiener Arena gab, einem ewig gültigen Thema gewidmet und es von ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. „Es war klar, dass wir relativ viel verhandeln werden, was mit unserer persönlichen Geschichte zu tun hat“, meinte Denalane. „Uns war aber genauso wichtig, über unsere Biografie hinaus die verschiedenen Aspekte von Liebe und ihre Vielschichtigkeit zu beschreiben.“ In mehreren Skits teilen nun etwa Rapperin Ebow, die Journalistin Anna Dushime oder ein Sohn des Paares ihre Gedanken dazu, während Songs wie „Auf Tour“ aus dem Musikalltag erzählen oder es in „Mmina Tau“ politisch wird.

Liebe also auch als Akt des positiven Widerstands in einer zunehmend fragmentierten und explosiven Zeit? Nicht unbedingt, wie Denalane zu verstehen gab. „Liebe kann natürlich etwas sein, woran man sich festhält. Aber das, was gerade passiert in der Welt, passiert ja immer. Es ist nur ganz nah zu uns gekommen“, sprach sie die diversen Krisenherde an. „Es ist aber schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten die Realität von Millionen von Menschen, dass sie in dieser bedrohlichen Situation leben. Oder in Gesellschaften leben, die irgendwie immer am Limit sind oder zu kippen drohen. Ich würde nicht sagen, dass man jetzt die Hand heben muss, nur weil wir in dieser Zeit sind und uns die Gefahr so nah rückt, bis in unsere Lebensrealität hinein. Nein, man muss sie immer heben.“

Paar wollte „realistischen und nüchternen Blick“

Dem Paar ging es also um einen sehr bewussten Umgang mit diesen Aspekten. Es sei durchaus eine Herausforderung, ein Album wie „Alles Liebe“ nicht zu cheesy klingen zu lassen. „Das kann eine Falle sein. Und zwar genau dann, wenn man es entkoppelt“, nickte Herre. „Würden wir etwa sagen, wir feiern hier 25 Jahre Händchenhalten und alles ist sweet. Uns war wichtig, einen sehr realistischen und nüchternen Blick zu haben. Aber auch zu sagen, Liebe betrifft nicht nur diesen romantischen Part und dieses zufällig heteronormative Zweierkonstrukt mit zwei Kindern.“ Es gebe Millionen Versionen davon, auch weit über romantische Liebe hinaus. „Und skalierst du es dann einen Schritt weiter, dann geht es letztlich um solidarische Praxis.“ Für sie sei zentral, was hinter dem eigenen Kontext passiert. „Spätestens da wird es total politisch.“

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Dass man auf „Alles Liebe“ einiges über Denalane und Herre erfährt, ist naheliegend, aber nicht neu. „Ich habe mit meinen Alben schon immer sehr, sehr viel Einblick gewährt in meine Lebensrealität“, betonte die Sängerin. „Nicht alles, aber vieles ist auch sehr autobiografisch und persönlich. Teilweise sind das natürlich Montagen aus verschiedenen Realitäten. Aber ich habe damit nie Berührungsängste gehabt.“ Sie könne als Künstlerin „dieses Privileg“ nutzen, in die Selbstanalyse zu gehen. „Quasi wie bei einer Tatortbegehung in sein eigenes Leben zu blicken und zu analysieren, was da vorgefallen ist. Was passiert, wenn man diese Schublade öffnet? Welche Gefühle sind da drin?“

Wenn Musik greifbar wird

Vielleicht sei das auch ein kleiner Unterschied, erzähle doch die Soulmusik seiner Partnerin „von der Seele“, so Herre. „Rap wiederum ist sehr explizit.“ Gleichzeitig verwies er auf sein Singer-Songwriter-Album „Ein geschenkter Tag“ (2009). „Das war schon ein sehr offener Moment.“ Im Endeffekt würden sie diese Frage mit jeder Platte aufs Neue beantworten. „Die Musik, die für mich am dringlichsten ist, wenn ich sie höre, vermittelt mir das Gefühl, dass mir jemand etwas erzählt und sich da reinwirft. Es ist trotzdem universell, weil es zutiefst menschliche Geschichten und Gefühle sind, die wir ja alle teilen.“ Im besten Fall werde genau das greifbar. „Das ist auch das schönste Kompliment, das man bekommen kann: Es verfängt, spricht mich an und erzählt meine Geschichte mit.“

Die Geschichte von Max Herre und Joy Denalane ist jedenfalls noch lange nicht auserzählt. Wer sie live erleben will, hat nächstes Jahr eine weitere Chance: Für 20. Juli 2025 ist ein Open-Air-Gig in der Arena angesetzt.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

alles-liebe.com